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Die letzte Mission

Die letzte Mission

Titel: Die letzte Mission
Autoren: Kyle Mills
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PROLOG
    Die wenigen Menschen auf der Straße schienen nichts anderes zu tun zu haben, als mit den Füßen den Staub aufzuwirbeln, der dann wie Rauch in der Luft hing. Sie hatten keine Plastiktüten mit Lebensmitteln bei sich, keine auf Drahtbügeln hängende Kleidung aus der chemischen Reinigung, kein aus einem plötzlichen Impuls heraus gekauftes Spielzeug für ihre Kinder. Sie führten keine belanglosen Gespräche mit Freunden und suchten auch keine Ablenkung in den nicht vorhandenen Schaufenstern des Dorfes. Es sah eher so aus, als hätte man ein paar Ratten ins Freie gescheucht, die wieder ins Dunkle, Enge zurückwollten, wo sie sich Sicherheit vorgaukeln konnten.
    Salam al Fayed ging an einer bröckelnden Mauer vorbei. Vor der Stelle, an der die Mauer durch eine Granate zerstört worden war, blieb er stehen und hockte sich im Schatten nieder. In diesem Teil der Welt war die Sonne alles andere als eine Wohltat. Ihre Strahlen gaben in der dünnen, trockenen Luft keine Wärme und saugten die Kraft aus allem und jedem heraus. Al Fayed zog einen Wasserbeutel aus Ziegenleder unter seinem Kaftan hervor und sah zu, wie die Menschen auf der Straße sich bemühten, ihm aus dem Weg zu gehen. Für sie war er einer jener zahllosen gefährlichen Männer, die sich hier herumtrieben und Unruhe, Hunger und sinnlose Gewalt mit sich brachten. In gewisser Hinsicht hatten sie sogar Recht.
    Jeder, der nicht sofort den Blick abwandte, wurde angestarrt, aus dunklen, drohenden Augen, die von der zerrissenen Kopfbedeckung fast verdeckt wurden. Sein Arabisch war hervorragend, aber wenn er den Mund aufmachen musste, würde ihn sein Akzent sofort als Ausländer verraten. Es war schwer zu sagen, ob jemand daran erkennen konnte, dass er aus New York kam. Aber er wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen.
    Das Wasser schmeckte nach Moschus und Schlamm und brannte auf seinen aufgesprungenen Lippen. Was hätte er für Lippenbalsam mit Sonnenschutzfaktor 30 und Kirschgeschmack gegeben! Und für eine Dusche. Und einen Drink mit Eiswürfeln. Er unterdrückte ein amüsiertes Lächeln, damit seine Lippen nicht wieder zu bluten anfingen. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren wurde er langsam empfindlich.
    Eine seltene Kombination aus idealem Wetter, viel zu pessimistischen Informationen und ausgesprochen viel Glück hatte dazu geführt, dass er den vielen tausend Toten in diesem Land noch vier weitere hinzugefügt hatte und seinem Zeitplan trotzdem noch zwei Stunden voraus war. Leider waren die Starbucks-Filialen im Nahen Osten nur recht dünn gesät – ein Umstand, den die USA sicher bald behoben hatten. So war es ihm nicht möglich, das Blut in einer sauberen kleinen Toilette abzuwaschen und dann über einem Caffè Latte mit Karamell-Nuss-Aroma und Nusssplittern die Zeit totzuschlagen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als schweigend hier zu hocken, die Einheimischen mit Blicken zu bedrohen und nach Ziegenhaaren auf seinen Zähnen zu suchen.
    Join the Navy hatte es auf dem Rekrutierungsposter geheißen. See the world. Er hatte gedacht, die Navy würde Hawaii damit meinen.
    Der Vorruhestand auf einer ruhigen Insel gewann immer mehr an Attraktivität. Obwohl die Operation reibungslos über die Bühne ging, hatte er seit dem Moment, in dem er den Fuß auf den glühenden Sand gesetzt hatte, ein merkwürdiges Gefühl. Wie vorherzusehen war, verlor es sich gleich wieder, als er sich auf seinen Auftrag konzentrieren musste, doch jetzt hatte er einige Minuten der Muße, um darüber nachzudenken. Er hatte Zweifel. Und den unmissverständlichen Eindruck, dass diese Operation eine zu viel war. Er hatte das Schicksal schon viel zu lange herausgefordert, und jetzt war der Moment gekommen, in dem sich das Blatt wendete.
    Vielleicht war dieser Anflug von Angst auch nur Mutter Naturs Art, ihn mit der Nase darauf zu stoßen, dass er jetzt langsam in ein Alter kam, in dem er nicht mehr ganz so schnell oder stark sein würde wie früher. Vielleicht war es ein uralter Überlebensreflex, der ihm etwas sagen wollte, nur leider in einer Sprache, die niemand mehr verstand. Aber es war auch gut möglich, dass es gar nicht so kompliziert war. Vielleicht war es nur die Hoffnungslosigkeit und Nutzlosigkeit von dem, was er tat.
    Vor vier langen Jahren, bei seinem ersten Einsatz im Nahen Osten, war er noch voller Idealismus gewesen. Obwohl seine Methoden nicht gerade die humansten waren, die der Menschheit zur Verfügung standen, war er tatsächlich der Meinung gewesen, etwas
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