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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick
Autoren: John Sandford
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Nichte – sie war eine echt schmackhafte kleine Fotze«, sagte er. »Es hat lange gedauert, bis sie endlich tot war.«
    »Du Drecksau!«, schrie Marshall auf, und Lucas rief: »Terry, nein, verdammt …«
    Der Pistolenschuss hallte mit einem ohrenbetäubenden Knall durch die morgendliche Stille, und Lucas fuhr zusammen. In Qatars Gesicht war ein blutiges Loch, wo das Hohlmantelgeschoss ausgetreten war; seine Beine gaben nach, und sein Körper sank auf einen der Erdhügel. Ein Zucken durchlief ihn, dann war er tot. Er sah nicht mehr wie Edward Fox aus, nicht einmal wie ein kahlköpfiger …
    »Terry … Jesus Christus, Terry …«, stammelte Lucas.
    Marshall sagte etwas, aber nicht zu Lucas, sondern zu Qatars Leiche: »Ich hätte nicht gedacht, dass du den Schneid dafür aufbringst. Du hast mich dazu gebracht. Du bist schuld an allem.«
    Er schüttelte den Kopf, starrte hinunter auf Qatars erschlaffte Leiche, richtete seine Worte jetzt aber an Lucas: »Auf dem Weg hierher hatte ich Zeit, über so manches nachzudenken. Zeit für eine Bestandsaufnahme. Ich habe zehn Jahre meines Lebens damit zugebracht, nach diesem elenden Scheißkerl zu suchen. Habe mein Leben ruiniert, das, was nach Junes Tod noch davon übrig war. Habe Laura wie eine Tochter betrachtet … Wenn Laura doch nur eine Chance gehabt hätte, verstehen Sie? Wo ist Jesus, wenn man ihn braucht?« Er setzte die Mündung der Pistole unter sein Kinn, sah Lucas in die Augen. »Aber wissen Sie was, Lucas?« Er sah sich noch einmal um, atmete tief durch. »Heute ist ein guter Tag für so was. Sie sollten jetzt mal kurz wegschauen …«
    »Terry
!«, schrie Lucas.
    Del traf zwanzig Minuten später ein, brachte den Dodge seiner Frau mit qietschenden Bremsen auf dem Parkplatz zum Stehen und sprang heraus. Lucas saß mit gekreuzten Beinen auf der Motorhaube des Porsche.
    »Weather hat bei uns angerufen«, sagte Del. »Ich bin hergerast, so schnell es nur ging. Dachte daran, die Zentrale anzurufen, hab’s aber nicht gemacht … noch nicht.« Lucas reagierte nicht, und Del sah den Hang hinauf. Die beiden Leichen waren nicht zu sehen, lagen unberührt da oben, bis auf die Hand voll Laub, die Lucas über Marshalls halb geöffnete Augen gestreut hatte. »Zu spät?«
    Lucas seufzte, rieb sich mit dem Zeigefinger über die Stirn, schloss die Augen. »Gerade noch rechtzeitig, um auf Wiedersehen zu sagen.«

30
    Lucas und Weather arbeiteten an Weathers Boot, einem alternden S-2. Der Himmel war strahlend blau, und die Sonne schien Lucas’ Nacken verbrennen zu wollen, hatte aber noch nicht die notwendige Kraft dazu.
    »Das Ding ist aus Glasfiber gemacht – da denkt man doch nicht, dass man es mit Sandpapier und Politur behandeln muss«, schimpfte Lucas. »Wozu ist dann das Glasfiber gut, zum Teufel? Warum haben sie die gottverdammte Bodenluke aus Holz gemacht, wenn das Boot aus einer Glasfiberfabrik stammt?«
    »Halt den Mund und pinsele fleißig«, sagte Weather.
    »Sollte man nicht, sagen wir mal, Croissants und Wein zu sich nehmen, wenn man auf einem Segelboot arbeitet? Freunde kommen vorbei, der Mann hat ein eckiges Kinn, die Frau sieht toll aus und trägt große Ohrringe? Die beiden haben enge Rollkragenpullover an, und man spürt diese leichten Vibrationen, die abendlichen Gruppensex ahnen lassen?«
    »Je mehr du redest, umso nachlässiger arbeitest du. Mach einfach mit deiner Pinselei weiter und halt den Mund und lass mich meine Putzarbeit erledigen.« Sie war unten in der Kajüte und kratzte unter der Spüle an etwas herum, das wie chemisch gehärteter Mäusekot aussah. Lucas saß im Cockpit und strich die aus dem Boden ragende Luke an. Insgeheim nahm er an, dass Weather ihn mit dieser eigentlich unnötigen Arbeit beschäftigt hielt, um ihn aus dem Weg zu haben, während sie die wirklich erforderlichen Arbeiten erledigte.
    Um sie herum arbeiteten zwei Dutzend Leute an ihren Booten, und von seinem Platz auf dem Deck des Segelbootes, das wiederum auf dem Anhänger ruhte, konnte Lucas einige Kilometer weit den Lake Minnetonka überblicken und eine der ersten Regatten der Saison beobachten.
    »Ich bin froh, dass wir nicht da draußen bei diesen Seglern sind«, sagte er. »Die Leute frieren sich bestimmt den Arsch ab.«
    »Ist aber die beste Zeit im Jahr dafür«, sagte sie. Sie kam zur Kajütentreppe, stieg hoch und schaute zu den Regattaseglern hinüber. »Schönes und trockenes Wetter – bestimmt nicht viel Wind da drüben.«
    »Tolle Segelregatta«, knurrte Lucas.
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