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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus
Autoren: Øystein Wiik
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führten, waren versperrt. Nur autorisiertes Personal durfte die Durchgänge benutzen. Der reinste Gag, dachte PR-Chef Jørgensen. Erzähl den Leuten, du bist groß, und sie glauben es. Er klopfte an die Garderobentür. »Vieni!«, ertönte es in brillantem Tenor von drinnen.
    »Die Pause dauert zwanzig Minuten«, sagte Jørgensen zu der Frau gewandt. »Ich hole Sie in fünfzehn Minuten wieder hier ab. Sie wollen doch sicher den letzten Akt sehen.« Er hörte sich trocken und kratzig an im Vergleich zu Medinas glockenklarer Stimme.
    »Sehr gerne«, antwortete die Frau, als sie die Tür hinter sich schloss.
    Stein Jørgensen hatte Order, vor dem Liebesnest Wache zu halten. Er kam sich vor wie ein Eunuch in einer Mozart-Oper, schob die Hände in die Taschen, sah sich um und versuchte, lässig zu wirken. Der Opernchef wusch seine Hände in Unschuld und wusste von nichts. Käuflicher Sex war in Norwegen verboten, und er, der PR-Chef, würde den Kopf hinhalten müssen, wenn das an die Öffentlichkeit kam.
     

Einstimmen
    James Medina lag in seinem XXXL-Seidenmantel auf dem Schlafsofa, der sich in Hüfthöhe wie ein Seidengebirge emporwölbte. Augenscheinlich schien ihm zu gefallen, was er sah. »Buena sera«, sang er, ein paar Zeilen aus einer anderen Puccini-Oper entlehnend. Die Frau zögerte einen Moment, bevor sie den Rock fallen ließ, die Jacke und die brave weiße Bluse auszog. Dessous von La Perla, Strapse und Seidenstrümpfe. Alles nach Medinas Vorlieben. Sie behielt die Schuhe an. First Class, dachte James Medina und schickte seinem Manager Victor Kamarov einen dankbaren Gedanken. Er wusste, was sein Startenor brauchte.
    Sie bewegte sich wie eine Massai, und die gestreckten Hüftmuskeln ließen erahnen, dass sie irgendwann einmal im Ballett gewesen war. (Medina hasste kurze Hüftmuskeln bei Frauen. Das gab ihnen immer so etwas Watscheliges.) Als sie den Hausmantel zur Seite schlug, brach Medina in ein lautes, wohlmoduliertes Lachen aus. Er hatte ein Champagnerglas über seinen erigierten Penis gestülpt und lachte seltsam gekünstelt über seinen wunderbaren Einfall. Sein Lachen klang, als wäre es eine Passage aus einer Schubert-Romanze und als diente es zugleich als Stimmübung, unterstützt von seinen Bauchmuskeln.
    Ihm behagte, was er hörte, und ihm behagte, was er sah. Seine Stimme saß, und die Frau vor ihm war perfekt. Einem strahlenden letzten Akt stand also nichts im Wege.
    »Langsam, dolce, sei zärtlich zu mir, lento, legato«, sagte Medina mit »sotto voce« -Stimme. Er streckte ihr seine ganze Pracht entgegen und überließ ihr das Ruder.
    »E lucevan le stelle.« – Und es leuchteten die Sterne . Der Tenor James Medina sang gedämpft und genießerisch, wo andere Männer vermutlich gutturale Laute der Begierde ausgestoßen hätten. Für ihn waren die Dienste der Frau, die sich nun rittlings auf ihn setzte, Teil seiner täglichen Stimmhygiene. Ja, mehr als das: Sie waren der Schlüssel zu seinen berühmten und unfassbar hoch dotierten hohen Tönen. Eine Entdeckung, die er rein zufällig zehn Jahre zuvor gemacht hatte, als er den Edgardo in Lucia di Lammermoor am Teatro Communale in Bologna gesungen hatte.
    Sein leidenschaftliches Liebesspiel mit der Ankleiderin in der Pause war abrupt unterbrochen worden, als der Inspizient an die Tür der Garderobe geklopft und ihn gebeten hatte, auf die Bühne zu kommen. Bei seinem Auftritt im zweiten Akt war er noch zum Bersten scharf gewesen, was zu Standing Ovations nach Edgardos großer Abschlussszene geführt hatte. Nie waren seine hohen Töne brillanter, sicherer und so voll samtweicher Sinnlichkeit gewesen. Von da an war er nie mehr ohne diese spezielle Form der Stimulanz auf die Bühne gegangen. Das Liebesspiel mit den hohen Tönen, hatte er gedacht, wie mit einer schönen Frau. Und der Orgasmus ist das hohe C.
    Wenn eine Frau ihn bis kurz vor den Höhepunkt erregt hatte, brach er den Liebesakt ab und ging mit seiner unbefriedigten Libido auf die Bühne. Mit stahlharten Hoden und einer Feuerkugel der Begierde unter dem Zwerchfell. Nicht ohne einen leicht ironischen Unterton bezeichnete er seine Entdeckung als die »Milliondollarquart« : die Töne vom G bis zum hohen C.
    »Ed olezzava la terra.« – Und es duftete die Erde . Medina setzte jeden Ton mit Bedacht und weich an, spürte der Vibration in Schädel und Brustkasten nach, während die Frau auf ihm sich immer schneller bewegte. Sie bedeckte seinen Hals mit Küssen, und James Medina musste all seine
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