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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus
Autoren: Øystein Wiik
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Messer gewetzt. »Ich werde James Medina schlachten, ich bringe ihn um«, hatte er seiner Exfrau Cathrine Price erklärt. »Das wird die letzte Nummer von Opera Today . Ich gehe unter, aber ich werde James Medina mit in den Abgrund reißen.«
    Cathrine hatte ihn sechs Monate zuvor verlassen und ihre gemeinsame Tochter Cecilie mitgenommen. Sie hatte die unsichere finanzielle Lage, in die Hartmann sie mit seiner Entscheidung gebracht hatte, nicht länger ertragen und sich stattdessen einen Börsenmakler mit einem Porsche Cayenne geangelt – eine Entscheidung, die Hartmann seiner Exfrau niemals würde verzeihen können. Die Vorstellung, dass seine kleine Tochter mit Wirtschaftsmagazinen, Aktienkursen und Zinsniveaus statt mit Verdi und Mozart aufwachsen sollte, erfüllte ihn mit tiefer Abscheu.
    Das Publikum an diesem Abend war milliardenschwer. Sponsoren, die 250 000 Kronen für einen bestimmten Platz im Zuschauerraum bezahlt hatten, Wirtschaftsmanager, die ihr kulturelles Alibi pflegten, und viele andere ließen die Juwelen und saphirbesetzten Manschettenknöpfe um die Wette glitzern. Darunter auch Politiker, die glaubten, ein Anrecht auf Anwesenheit im Saal zu haben, Reality-Show-Stars und so mancher Comedian mit Gesangsambitionen. Im Hintergrund arbeitete, diskret verteilt, das Sicherheitspersonal. Hartmann schoss durch den Kopf, was ein Terroranschlag bei so einer Veranstaltung wohl anrichten würde, wurde aber in seinem Gedankengang unterbrochen, weil der Dirigent sein Pult betrat und nun schon zum dritten Mal mit dem gleichen selbstzufriedenen Lächeln wie bei den zwei vorangegangenen Akten den Applaus entgegennahm. Er genoss diesen Augenblick im Rampenlicht und hielt das Publikum ein wenig länger als üblich mit dem Blick fest.
    Jorma Poikonen war fraglos ein großer Dirigent, trotzdem reichte sein Ruhm nicht an den Medinas heran, und man ahnte den unterdrückten Neid in seinem angestrengten Lächeln. Vollständig von Medinas Charme und Stimmpracht aus dem Feld geschlagen zu werden, war eine Situation, die den Finnen alles andere als beglückte. Der Regisseur hatte überdies darauf bestanden, große Teile des Orchestergrabens mit einem Gitter abzudecken, um die Sänger näher ans Publikum heranzubringen. Er hatte sich sogar in Poikonens Manier des Dirigierens eingemischt und ihm untersagt, die Hände höher als bis zur Schläfe zu heben, weil dies sonst das Bühnenbild störte. Kein Zweifel, Poikonen fühlte sich wie ein Statist.
    Doch das Unerträglichste war, dass das Publikum nach Medinas erster Arie, »Recondita armonia«, lauthals »bravo« und »da capo« verlangt hatte. Poikonen, davon völlig unbeeindruckt, wollte weitermachen, aber Medina hatte ihn einfach ausgebremst und darauf bestanden, die Arie noch einmal zu singen. Bei dem Kampf der Giganten hatte die Luft zwischen ihnen förmlich geknistert.
    In letzter Sekunde erschien eine Frau und bewegte sich durch die Stuhlreihe, in der Tom saß. Die Sitzenden erhoben sich ungehalten, um sie vorbeizulassen. Ihr Unmut entzündete sich vor allem daran, dass sie ihnen den Rücken zudrehte. Es war eine Sache, zu spät zu kommen, ganz und gar unverzeihlich aber war es, sich mit dem Rücken zu den Sitzenden voranzuarbeiten. In elitären Opernkreisen wie den hier versammelten galt ein solches Verhalten als extrem unkultiviert. Sie setzte sich auf den freien Platz neben Tom, auf dem im vorigen Akt noch PR-Chef Stein Jørgensen gesessen hatte. Tom registrierte, dass sie hübsch war und ein blaues Kostüm trug, das wundervoll mit ihren grünen Augen kontrastierte. Außerdem duftete sie nach Aqua di Parma.
    Tom musste an Masako denken, die bildschöne japanische Sopranistin, mit der er in Bologna studiert hatte. Auch sie hatte immer nach Iris Nobile, Aqua di Parma geduftet. Er war lange heimlich in Masako verliebt gewesen, und eines Abends hatte er Mut gefasst und sie in eins der besten Restaurants der Stadt eingeladen. Etwas später war sein Gesangslehrer Guiseppe Tarquini im selben Restaurant aufgetaucht und hatte sich zu ihnen an den Tisch gesetzt, ohne zu fragen, ob ihnen das recht war. Doch damit nicht genug: Der siebzigjährige Tenor hatte in der Folge eine massive Charmeoffensive auf Masako eröffnet, Geschichten zum Besten gegeben, neapolitanische Liebeslieder für sie gesungen und sich schließlich, nachdem Tom die Rechnung für drei bezahlt hatte, bei Masako untergehakt und war mit ihr von dannen spaziert. Masako hatte sich mit einem entschuldigenden
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