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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte
Autoren: Val McDermid
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eine große Müdigkeit. »Allerdings glaube ich, Sie hätten es verdient, weniger Schwierigkeiten zu bekommen, als meine Anstellung Ihnen bescheren würde.«
    »Das lassen Sie mal meine Sorge sein«, sagte Brandon, der jetzt statt schonender Rücksichtnahme die ihm eigene Autorität hervorkehrte. »Carol, die Arbeit hatte für Sie schon immer einen hohen Stellenwert. Ich kann verstehen, weshalb Sie nicht in den Nachrichtendienst zurückwollen, an Ihrer Stelle würden mich auch keine zehn Pferde mehr in die Nähe dieser Kerle kriegen. Aber die Polizeiarbeit liegt Ihnen doch im Blut. Verzeihen Sie, wenn ich anmaßend klinge, aber ich glaube nicht, dass Sie über diese Sache hinwegkommen werden, ehe Sie wieder fest im Sattel sitzen.«
    Carols Augen weiteten sich. Brandon fragte sich, ob er zu weit gegangen war, und erwartete eine scharfe, ironische Antwort, die er diesmal ohne Rücksicht auf seinen Dienstgrad verdient gehabt hätte.
    »Haben Sie mit Tony Hill gesprochen?«, fragte sie.
    Brandon gelang es nicht, seine Überraschung zu verbergen. »Tony? Nein, ich habe ihn nicht mehr gesprochen seit … ach, es muss über ein Jahr her sein. Warum fragen Sie?«
    »Er ist der gleichen Meinung«, antwortete sie knapp. »Ich dachte, vielleicht hättet ihr euch verbündet.«
    »Nein, ich bin selbst auf die Idee gekommen. Aber Sie wissen, Tony ist kein schlechter Ratgeber.«
    »Ja, schon. Aber keiner von Ihnen kann sich vorstellen, was es dieser Tage für mich heißt, ich selbst zu sein. Ich bin nicht sicher, ob die alten Regeln noch gelten. John, ich kann in dieser Sache jetzt keine Entscheidung treffen. Ich muss darüber nachdenken.«
    Brandon trank sein Glas aus. »Lassen Sie sich Zeit.« Er stand auf. »Rufen Sie mich an, wenn Sie über Einzelheiten sprechen möchten.« Er zog eine Karte aus seiner Tasche und legte sie auf den Tisch. Sie sah sie an, als könne sie plötzlich in Flammen aufgehen. »Lassen Sie mich Ihre Entscheidung wissen.«
    Carol nickte matt. »Ja. Aber bauen Sie bei Ihrer Planung noch nicht allzu fest auf mich, John.«

    Im Bradfield Moor Secure Hospital gibt es keine Stille. Oder jedenfalls nicht da, wo sie dich je hätten hingehen lassen. Nach all den Filmen und Fernsehshows, die man so sieht, sollte man meinen, dass es irgendwo Gummizellen gibt, in die kein Laut dringt, aber man müsste wahrscheinlich total durchknallen, um dort zu landen. Schreien, Schaum vor dem Mund kriegen, jemand vom Personal niederschlagen oder so was. Wenn der Gedanke, an einem stillen Ort zu sein, auch verlockend ist, würde es sich auf deine Entlassungschancen nicht gerade günstig auswirken, eine richtige Irrenattacke abzuziehen, nur um genug Ruhe zu finden, dass du die Stimme richtig hören kannst.
    Als du damals in Bradfield Moor angekommen bist, hast du zu schlafen versucht, sobald das Klicken im Schloss dir sagte, dass man dich für die Nacht eingeschlossen hatte. Aber du konntest immer noch gedämpfte Unterhaltungen hören, gelegentlich Schreie und Schluchzen, Füße, die die Korridore entlangtappten. Du hast dir das dünne Kissen über den Kopf gezogen und versucht, alles auszublenden. Aber oft hat es nicht funktioniert. Die anonymen Geräusche haben dir Angst gemacht und dich fürchten lassen, deine Tür könnte plötzlich aufgehen und du könntest welchem Teufel auch immer begegnen. Statt zu schlafen, wurdest du nervös und reizbar. Der Morgen kam, und jedes Mal warst du erschöpft, mit wunden, brennenden Augen und zittrigen Händen wie bei einem völlig fertigen Säufer. Das Schlimmste war in dieser Zeit, dass du dich nicht auf die Stimme einstellen konntest. Du warst zu erregt, eine Methode zu finden, die dir über die Hintergrundgeräusche hinweghalf.
    Es dauerte einige Wochen, etliche höllische, grausige Wochen, aber allmählich kapierte dein langsames Hirn, dass es sich lohnen könnte, nicht gegen den Strom zu schwimmen. Wenn jetzt das Licht ausgeht, legst du dich auf den Rücken, atmest tief und sagst dir, die Geräusche da draußen sind belangloses Hintergrundgemurmel, auf das man nicht zu achten braucht. Und früher oder später wird es wie das Rauschen im Radio und lässt dich mit der Stimme allein. Lautlos bewegen sich deine Lippen und geben die Botschaft wieder, und schon bist du woanders. An einem guten Ort.
    Es ist eine tolle Sache. Du kannst die langsame Steigerung bis zu deinen größten Taten durchspielen. Alles ist da, vor dir ausgebreitet. Wie du ein Opfer auswählst. Wie du mit der Frau sprichst.
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