Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
der Stadt befasst und die Einflüsse des italienischen Baustils auf die älteren Gebäude nachzuvollziehen versucht. Und sie verfolgte das natürliche Wachstum der Stadt und machte sich klar, was in den sechziger Jahren von den scheußlichen Betonblocks der Bürogebäude verdrängt worden war. Sie hatte den Plan der ganzen Stadt im Kopf, an ihren freien Tagen machte sie Spaziergänge und fuhr in den verschiedenen Stadtteilen umher, bis sie sich bei jeder Tatortadresse sofort ein Bild von der Umgebung machen konnte, die sie dort vorfinden würde.
    Aber an diesem Morgen schienen Carol ihre früheren Ortskenntnisse völlig nutzlos zu sein. In ihrer Abwesenheit waren jede Menge neuer Verkehrsführungen und Einbahnstraßen entstanden, die sie zwangen, sich viel intensiver auf den Weg zu konzentrieren, als sie erwartet hatte. Sie hätte die Polizeidirektion automatisch finden müssen. Aber sie brauchte doppelt so lange, wie sie gedacht hatte, und war sehr erleichtert, als sie endlich in den Parkplatz einbog. Carol fuhr langsam auf die mit Namen markierten Parkplätze zu und freute sich, dass dort zumindest eine von John Brandons Zusagen eingetroffen war. Einer der wenigen leeren Plätze war auf einem neuen Schild mit »DCI JORDAN« gekennzeichnet.
    Als sie das Gebäude betrat, überkam sie kurz ein Gefühl alter Vertrautheit. Hier wenigstens schien sich nichts verändert zu haben. Im Korridor des Hintereingangs roch es immer noch leicht nach Zigarettenrauch und altem Fett von der Kantine im Stockwerk darunter. Welche kosmetischen Veränderungen man auch immer in den Räumen für den Publikumsverkehr vorgenommen haben mochte, man hatte jedenfalls keine Maler beauftragt, diesen Eingang einladender zu gestalten. Die Wände hatten immer noch die gleiche nüchterne graue Farbe, das Schwarze Brett war womöglich noch mit den gleichen gelben Rundschreiben bestückt, die sie vor Jahren schon hier gesehen hatte. Carol ging zum Schalter und grüßte den Kollegen hinter dem Tisch mit einem Kopfnicken. »DCI Jordan meldet sich zur Arbeit in der Sondereinsatzzentrale.«
    Der Mann mittleren Alters strich sich mit der Hand über seinen grau melierten Bürstenschnitt und lächelte. »Willkommen an Bord«, sagte er. »Nehmen Sie den Aufzug in den dritten Stock am Ende des Korridors. Ihr Zimmer ist Nummer 316.«
    »Danke.« Carol schaffte ein schwaches Lächeln, drehte sich zur Tür um und drückte sie beim Summen des Türöffners auf. Ohne sich dessen bewusst zu sein, straffte sie die Schultern, hob das Kinn, ging dann energisch den Korridor entlang und ignorierte die gelegentlichen neugierigen Blicke der uniformierten Beamten, an denen sie vorbeikam.
    Im dritten Stock hatte man seit ihrer Zeit eine Renovierung vorgenommen. Die Wände waren bis auf Hüfthöhe hellblau und weiter oben in einem leicht getönten Weiß gestrichen. Die alten Holztüren hatte man durch Stahltüren mit dickem Glas, im mittleren Teil aus Milchglas, ersetzt, so dass wer immer zufällig den Gang entlangging, wenig von dem mitbekam, was in den Büros ablief. Ihr kam es eher wie eine Werbeagentur als wie eine Polizeiwache vor, als sie bei der Tür mit der Nummer 316 anlangte.
    Carol holte tief Luft und stieß die Tür auf. Ein paar neugierige Gesichter blickten auf und sahen sie dann mit einem herzlichen Lächeln an. Don Merrick, der vor kurzem erst Inspector geworden war, stand zuerst auf. Er war bei ihrer ersten Ermittlung zu einem Serienmörder ihr Kontaktmann gewesen. Der Fall hatte den mit diesen Dingen Betrauten bewiesen, dass sie das Zeug hatte, es bis an die Spitze zu schaffen. Der gewissenhafte, zuverlässige Don, dachte sie dankbar, als er mit ausgestreckter Hand auf sie zukam.
    »Prima, Sie wieder hier zu sehen, Ma’am«, sagte er und berührte mit der freien Hand ihren Ellbogen, als sie sich die Hand gaben. Obwohl er viel größer war als sie, war Carol angenehm überrascht, dass seine Körpergröße in keiner Weise beunruhigend auf sie wirkte. »Ich freue mich wirklich darauf, wieder mit Ihnen zu arbeiten.«
    Sergeant Kevin Matthews stand direkt hinter Merrick. Kevin hatte sich nach einer bodenlosen Dummheit, die ihn fast seine Karriere gekostet hätte, wieder aufgerappelt. Obwohl Carol diejenige gewesen war, die seine Untreue aufgedeckt hatte, war sie froh zu sehen, dass er offenbar rehabilitiert war. Er war ein zu guter Kripobeamter gewesen, als dass seine Talente mit der hirnlosen Routinearbeit der uniformierten Bürokraten verschlissen werden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher