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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte
Autoren: Val McDermid
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fliegenden Fahnen zu intensiver Arbeit zurückkehren, um sich selbst und allen anderen zu beweisen, dass sie es geschafft hat. Sollte sie das allerdings versuchen, wird sie ein Risiko sein, und das kannst du für diese Aufgabe nicht brauchen. Aber …«, zögerte sie, »wenn sie sich durchkämpfen will, dann kannst du sie vielleicht überreden.«
    »Meinst du, sie kann diese Aufgabe bewältigen?« Brandon blickte besorgt.
    »Es ist genauso wie das, was immer über Politiker gesagt wird, oder? Gerade die Leute, die sich nach einer Aufgabe drängen, sind die Letzten, die sie erledigen sollten. Ich weiß nicht, John. Du wirst das entscheiden müssen, wenn sie vor dir steht.«
    Kein tröstlicher Gedanke. Aber danach hatte er aus einer überraschenden Richtung Unterstützung bekommen. Am Nachmittag des Vortages hatte DI Merrick ihn in seinem Büro aufgesucht, weil er Tony Hill als Profiler für den Fall des vermissten Tim Golding engagieren und Brandon um sein Einverständnis bitten wollte. Als sie über den Fall sprachen, hatte Merrick fast wehmütig gesagt: »Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir besser dran wären, wenn DCI Jordan noch in unserem Team wäre.«
    Brandon zog die Augenbrauen hoch. »Ich hoffe, dass Sie nicht gerade eine Phase der Selbstzweifel durchmachen, Inspector«, sagte er.
    Merrick schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Ich weiß, dass wir alles tun, was wir können. Aber DCI Jordan sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive als alle anderen Kollegen, mit denen ich je gearbeitet habe. Und in solchen Fällen … na ja, manchmal hat man den Eindruck, es sei nicht genug, einfach nur gewissenhaft sämtliche Möglichkeiten abzudecken.«
    Brandon wusste, dass Merrick recht hatte. Umso mehr müsste er alles in seiner Macht Stehende tun, um Carol Jordan wieder in den Ring zurückzuholen. Er straffte die Schultern und ging auf das Betonlabyrinth zu, in dessen Mittelpunkt Carol Jordan ihn erwartete.

    John Brandon war erschüttert von der Veränderung, die er an Carol Jordan wahrnahm. Die Frau, die an der Tür wartete, als er aus dem Fahrstuhl herauskam, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Bild, das er von ihr im Gedächtnis trug. Er hätte auf der Straße leicht an ihr vorbeigehen können, ohne sie zu erkennen. Ihre Frisur war total anders, an den Seiten ganz kurz geschnitten mit einem dichten, zur Seite gekämmten Pony, der ihre Gesichtsform veränderte. Aber die Veränderung zeigte sich noch entschiedener im Ausdruck: Alles Weiche schien aus ihrem Gesicht gewichen und durch neue Flächen und Mulden ersetzt. An die Stelle der früheren intelligenten Wachheit ihrer Augen war eine mit Argwohn gepaarte Ausdruckslosigkeit getreten. Sie strahlte Anspannung statt des gewohnten Selbstbewusstseins aus. Obwohl es ein warmer Frühsommertag war, trug sie einen formlosen Pullover mit Rollkragen und eine weite Hose statt der knapp geschnittenen Kostüme, in denen Brandon sie früher immer gesehen hatte.
    Er blieb einen halben Meter vor ihr stehen. »Carol«, sagte er. »Schön, Sie zu sehen.«
    Kein entgegenkommendes Lächeln, nur ein schwaches Zucken der Mundwinkel. »Kommen Sie herein, Sir«, sagte sie und trat zurück, um ihm den Vortritt zu lassen.
    »Nur keine Formalitäten«, sagte Brandon und achtete darauf, dass er so viel Abstand wie möglich hielt, als er die Wohnung betrat. »Ich bin ja schon eine ganze Weile nicht mehr Ihr Chef.«
    Carol entgegnete nichts und führte ihn zu zwei Sofas, die im rechten Winkel zueinander standen und den Blick durch die deckenhohen Fenster auf die alte Kirche mitten in dem Gebäudekomplex des Barbican freigaben.
    Sie wartete, bis er Platz genommen hatte, und fragte dann: »Kaffee oder Tee?«
    »Lieber etwas Kaltes. Es ist so warm draußen«, sagte Brandon und knöpfte die Jacke seines anthrazitgrauen Anzugs auf. Als ihm ihr plötzliches Schweigen bewusst wurde, hielt er beim dritten Knopf inne und räusperte sich.
    »Sprudel oder Orangensaft?«
    »Wasser geht in Ordnung.«
    Carol brachte zwei Gläser Mineralwasser, stellte Brandon eins hin und zog sich dann mit ihrem so weit wie möglich von ihm zurück.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Brandon.
    Carol zuckte die Schulter. »Schon etwas besser.«
    »Ich war schockiert, als ich hörte, was passiert ist. Und auch erschüttert. Maggie und ich … na ja, ich weiß, wie ich mich fühlen würde, wenn sie oder meine Töchter … Carol, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man mit so etwas fertig wird.«
    »Es gibt nichts, was
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