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Tödliche Unschuld

Tödliche Unschuld

Titel: Tödliche Unschuld
Autoren: J. D. Robb
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worden war.
    Niemand bot ihm Trost oder lenkte ihn von seinem Elend ab.
    Er sollte ein Beruhigungsmittel nehmen. Doch er hatte Angst zu schlafen. Denn dann sähe er das Grauen sicherlich in seinen Träumen.
    Genau, wie er es derzeit überdeutlich sah.
    Die mit Blut, Knochen und Exkrementen bespritzten Wände des dunklen, schmutzigen Flurs. Selbst in seiner blitzsauber aufgeräumten Wohnung konnte er es riechen. Den Gestank der in der Hitze gärenden Eingeweide und des geronnenen Bluts. Er hörte auch das entsetzte, schmerzerfüllte Wimmern der schwer verletzten Frau. Das Gebrüll des Mannes.
    Louis K. hatte gebrüllt wie ein gehetztes wildes Tier. Die Stimmen anderer Hausbewohner, die sich hinter verschlossenen Türen irgendetwas zugerufen hatten. Den Lärm der Straße, der durch das offene Fenster hereingedrungen war.
    Und das Klopfen seines eigenen Herzens.
    Weshalb hatte er keine Verstärkung gerufen? Er hätte sofort, als er die Hilferufe vernommen hatte, Verstärkung rufen sollen.
    Stattdessen war er, einzig erfüllt von dem Gedanken, diese Frau zu schützen, in das Haus gerannt.
    Wenigstens hatte er, als er die Treppe hinaufgelaufen war, gebrüllt, dass jemand die Polizei anrufen sollte. Nur hatte offensichtlich niemand darauf reagiert. Das wurde ihm jetzt klar. Niemand hatte die Polizei verständigt, denn sonst wären die Kollegen da gewesen, lange, bevor Lieutenant Dallas auf der Bildfläche erschienen war.
    Wie konnten Menschen hinter verschlossenen Türen stehen und tatenlos mit anhören, wie ihre Nachbarin um Hilfe rief? Das würde er niemals begreifen.
    Er hatte den Mann im Flur gesehen und sofort erkannt, dass ihm nicht mehr zu helfen war. Sein Magen hatte einen Satz gemacht, und plötzlich hatte er ein lautes Rauschen in den Ohren gehabt. Das Geräusch der Angst. Ja, er hatte Angst gehabt, eine Heidenangst.
    Aber es war seine Aufgabe gewesen, durch die Wohnungstür zu treten. Durch die offene Tür mitten in die Schreie, das Blut und den Wahnsinn hinein.
    Und dann? Was dann?
    Polizei! Lassen Sie Ihre Waffe fallen! Lassen Sie sie sofort fallen!
    Er hatte seinen Stunner in der Hand gehabt. Hatte ihn auf dem Weg die Treppe hinauf bereits gezogen. Da war er sich ganz sicher. Der Mann. Louis K. Cogburn. Er hatte sich zu ihm umgedreht und wie der Schlagmann am Heimmal beidhändig mit dem blutverschmierten Schläger ausgeholt. Winzig kleine Augen, dachte Trueheart jetzt. Seine Augen waren beinahe in dem schmalen Gesicht verschwunden, das vor Zorn und fremdem Blut dunkelrot gewesen war.
    Dunkleres, frischeres Blut war aus seiner Nase gelaufen. Das fiel ihm jetzt erst wieder ein. War es vielleicht von Bedeutung?
    Er war auf ihn zugestürzt. Ein völlig Irrer in einer kurzen Hose, der blitzschnell gewesen war. Der Schläger hatte ihn hart an der Schulter erwischt. Er war rückwärtsgestolpert und hätte dabei um ein Haar den Stunner fallen lassen. Grelle Panik hatte ihn durchzuckt.
    Der Mann. Louis K. Cogburn. Er war erneut zu der Frau herumgewirbelt. Sie hatte halb betäubt auf dem Fußboden gelegen und hilflos geschluchzt. Er hatte den Schläger hoch über seinen Kopf gerissen. Ein todbringender Schlag.
    Aber dann hatte er plötzlich angefangen wild zu zucken. Seine Augen - o Gott, seine Augen -, rot wie die eines Dämonen, waren riesengroß geworden und hatten in den Augäpfeln gerollt. Mit wild schlenkernden Gliedern, wie eine Marionette, die an ihren Fäden tanzte, war er an ihm vorbei in den Flur gerannt.
    Er hatte getanzt oder eher getänzelt. Und plötzlich war er umgefallen, hatte sich noch einmal aufgebäumt, war dann rückwärts umgefallen und hatte mit seinen grässlich roten Augen die Decke angestarrt.
    Tot. Tot. Und ich beuge mich über ihn.
    Ich habe heute einen Mann getötet.
    Trueheart vergrub sein Gesicht im Kissen, versuchte die Bilder auszulöschen, die er ständig vor sich sah. Und weinte um den toten Mann.
    Am nächsten Morgen wählte Eve die Nummer des Chefpathologen Morris und versuchte nicht allzu barsch zu klingen, als sie gezwungen war, eine Nachricht auf seiner Mailbox zu hinterlassen. Wenn nötig, nähme sie sich nachher etwas Zeit, führe zu ihm rüber und trüge ihm ihr Anliegen persönlich vor.
    Ja, genau das würde sie tun - denn auf diese Weise könnte sie noch einmal Cogburns Leiche inspizieren.
    Obgleich es ihr gegen den Strich ging, rief sie auch Don Webster bei der Dienstaufsicht an. Dieses Mal jedoch machte sie sich nicht die Mühe, ihren Ärger darüber zu verbergen, dass er
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