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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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mal ansehen!“
    Ich läutete, und mein Konkurrent öffnete
persönlich die Tür.
    „Sieh an!“ Er pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Der Detektiv mit dem sechsten Sinn! Hab Sie leider nicht erreichen können,
aber Sie sind trotzdem gekommen... Wahrscheinlich verfolgen wir dieselbe Spur,
was? Und dabei wollten Sie mich unbedingt davon abbringen! Nun, wenn Sie
hartnäckig sind, dann bin ich’s erst recht. Und schneller als Sie allemal: Ich
war als erster am Ziel!“
    Wir betraten Catherines Salon. Mitten auf dem
Teppich schimmerte ein feuchter Fleck. Auf dem Tisch standen zwei Gläser, und
daneben lagen die Scherben einer Flasche. Es hatte einen Ringkampf gegeben.
    „Da ist er!“ rief Galzat theatralisch.
    In einem Sessel, gefesselt und geknebelt, saß
Dr. Blouvette-Targuy. Ein Sonnenstrahl fiel durch das geschlossene Fenster auf
den Füllfederhalter in der Brusttasche seines Jacketts und ließ die Klemme
golden aufblinken. Der Gefangene warf uns einen stummen Blick zu — aus seinem
rechten Auge. Das linke war infolge eines Volltreffers zugeschwollen.
    Die Stille wurde nur von dem Geklimper des
Klavierschülers von nebenan gestört. Ich konnte keinerlei Fortschritte
erkennen. Üben alleine reicht eben doch nicht!
    Ich brach als erster das Schweigen.
    „Wo ist Catherine?“ fragte ich.
    Galzat zeigte an die Zimmerdecke.
    „Sie ruht sich ein wenig aus. Die Aufregung hat
sie völlig geschafft. Die Ärmste! Nur um ein Haar ist sie dem Kerl entwischt.
Wenn ich nur eine Minute später gekommen wäre, wär’s um sie geschehen gewesen!
Sehen Sie, was der Kerl bei sich hatte...“
    Er zeigte uns ein kleines Fläschchen ohne
Etikett oder sonstige Aufschrift.
    „Digitoxin“, erklärte er fachmännisch. „Die
Dosis würde einen Ochsen umbringen! Er wollte das Zeug grade in Catherines Glas
schütten. Aber setzen Sie sich doch, Mademoiselle, Messieurs! Ich will Ihnen
alles ganz genau erklären. Monsieur Burma scheint sehnsüchtig auf die Lösung zu
warten...“
    „In dem Punkt irren Sie sich ausnahmsweise mal
nicht“, sagte ich.
    Meine Ironie rauschte ungehört an ihm vorbei. Er
setzte zu einer Rede an. Auf anderen Wegen als Hélène zwar, war er dennoch zu
denselben Erkenntnissen gekommen: die bestialische Streitschrift des Arztes,
seine Verwandtschaft mit Catherine, die nur bei der Nennung seines Namens eine
Gänsehaut bekam, undsoweiter. Auch Galzats Schlußfolgerungen waren dieselben
wie die meiner Sekretärin. Er entwickelte die Hypothese, mit der ich auch geliebäugelt,
die ich dann aber nach meinem Gespräch mit Paoli wieder verworfen hatte.
    „Was tun?“ fragte sich der Journalist. „Der
Doktor ist ein Freund meines Vaters. Ich liebe Catherine, seine Schwägerin. Der
Skandal würde auch sie in Mitleidenschaft ziehen. Ich muß Ihnen gestehen, ich
weiß nicht, was ich machen soll. Allerdings hoffe ich, daß diese Bestie auch
für sich selbst das wählt, was sie anderen zugedacht hat: Arsen oder Digitoxin!
Wenn er sich damit in sein stilles Kämmerlein verzieht, werden alle ihre Ruhe
haben.“
    „Apropos Ruhe“, warf ich ein. „Ich fürchte, Sie
werden Ihre so bald nicht wiederfinden, Galzat!“
    „Weil ich ein Monster unschädlich gemacht habe?“
lachte er.
    Dann zuckte er die Achseln und fuhr fort:
    „Ein Vorfall zwang mich zum Handeln. Catherine
hat sich auf etwas Verrücktes eingelassen... Als sie erfuhr — auf welchem Wege,
weiß ich nicht — , daß es die vergifteten Pralinen in den kleinen Vorortläden
zu kaufen gab...“
    „Ich werd Ihnen den Weg gleich erklären“,
unterbrach ich ihn.
    „Vielen Dank! ... Also, als sie das erfahren
hatte, kaufte sie soviel wie möglich davon. Sie wollte dem teuflischen Treiben
ihres Schwagers ein Ende setzen. Verrückt, jawohl! Denn eine Verrücktheit zieht
die nächste nach sich ...“
    „Sehr richtig!“ bemerkte ich.
    „Was soll man gegen ein so bestialisches Hirn
unternehmen?“
    „Ein hübscher Satz... und so dramatisch!“
    „Monsieur Burma, der mich ständig unterbricht,
vielleicht, weil ihm meine Theorie nicht gefällt — was ich sehr gut verstehen
kann! — Monsieur Burma, ich muß Ihnen einen Vorwurf machen: Sie schlagen zu
schnell zu! Das ist ein Fehler... Jacques Bressol, der Zeitungsjunge, hat
nämlich, schon lange vor dem Reporter von Paris — Vingt Heures, eine Dame beobachtet, die sich sehr merkwürdig benahm. Vor einem kleinen Süß Warengeschäft
in Clignancourt hielt ein Wagen, die Frau stieg aus, ging in den Laden und fuhr
kurz
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