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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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ist wirklich kaum der Rede wert.
    Also, ich gestehe: Ich lebe von undurchsichtigen
Geschäften. Hinzu kommen noch die Summen, die ich von einem halben Dutzend
gehörnter Ehemänner kassiere. Als Gegenleistung überwache ich ihre Frauen. Doch
diese Verträge könnten eigentlich direkt im Papierkorb landen. Ich jedenfalls
werde die Damen nicht verpfeifen. Hab in der Schule mal die Geschichte von der
Henne gehört, die goldene Eier legt, und meine Lehre daraus gezogen. Ich werde
das Tier schon nicht schlachten, auch wenn’s sich um einen Hahn handelt!
    In der Metro muß ich manchmal daran denken, daß
direkt neben mir ehrenhafte Bürger stehen, die der Meinung sind, es gäbe Orte,
»Rennbahnen« genannt, an denen man Pferde galoppieren läßt, angetrieben von Kümmerlingen,
„Jockeys“ genannt, und trainiert von Stallburschen, „Trainer“ genannt. Diese
naiven Leute glauben nun allen Ernstes, daß über Sieg oder Niederlage der Wert
und die schnellen Beine eines Pferdes entscheiden! Wenn ich daran denke,
überkommt mich die bösartige Lust, leise in mich hineinzulachen. Solange es
solche Blödmänner gibt, scheint für Betrüger aller Art die Sonne. Und die
Leichtgläubigen stehen im Regen!
    Man muß nicht unbedingt die Militärschule von
Saint-Cyr absolviert haben — ganz im Gegenteil! — , um zu wissen, daß man einen
Jockey auf den Pferderücken setzt, damit er das Tier antreibt oder zügelt: Ja
nachdem, worauf der Besitzer sich mit ein paar Leuten tags zuvor geeinigt hat.
Einem Eingeweihten wie mir, der schon so manchen Rennstallbesitzern oder
Trainern einen Dienst erwiesen hat, kann man auf diesem Gebiet nichts
vormachen!
    Ein populärer Schriftsteller hat mal was
geschrieben, das auch meine Mutter ergötzte: Dreißig Jahre oder Das
Leben eines Spielers. Ich habe den Roman nicht gelesen, nehme aber an, daß
es um die Spielleidenschaft ging. Man sollte sich nicht über Schriftsteller,
die Trivialliteratur verfassen, lustig machen. Ich gebe zu, die Namen von Emile
Richebourg, Xavier de Montépin, Fortuné de Boisgobey oder Ponson du Terrail sind
zum Weglaufen. Aber außer diesen unaussprechlichen Namen haben sie noch etwas
anderes gemeinsam: Sie verfügen über genaue Kenntnisse der menschlichen Seele,
um es mit ihren eigenen Worten auszudrücken. Was ihre Psychologie angeht, so
hätte der große Bourget, den ich auch nicht gelesen habe — aber man hat mir
versichert, daß man auch ohne ihn aufwachsen kann — , daß also sogar Bourget
sich eine Scheibe von ihnen hätte abschneiden können. Spielleidenschaft, die
schicksalhafte Karte, der grüne Spieltisch, der sich vom Blut der Selbstmörder
rot färbt: Unsere Trivialliteraten haben sich daran versucht. Und sie kannten
sich aus, sie wußten, wovon sie schrieben!
    Nach todsicheren Wetten auf Pferde, die
garantiert als erste ins Ziel kamen, ging ich dazu über, mein Geld aufs Spiel
zu setzen, ohne irgendeinen Tip gekriegt zu haben. Boxen, Radrennen,
Schwimmwettkämpfe — alles war mir recht, um meiner Wettleidenschaft zu frönen.
Ich hatte alles von einem Engländer an mir, bis auf den Akzent. Aber wenn ich
so weitergemacht hätte, hätte ich mich eines schönen Tages auch noch davon
anstecken lassen.
    Das alles erzähle ich nur, um zu erklären, wie
ich Idiot an dem Tag, als diese Geschichte begann, tausend Francs in den Sand
setzte.
     
    * * *
     
    Gemütlich auf meinem nach hinten gekippten
Bürostuhl schaukelnd, Beine auf der Schreibunterlage, Pfeife im Mund, so
studierte ich die Sport-Illustrierte. Meine Anzugjacke hing über der
Stuhllehne. Der Ventilator surrte, und im Aschenbecher wirbelte die
Zigarettenasche hoch, die Roger Zavatter dort hineingeschnippt hatte. Die Kippe
warf er auf die Straße, denn im Augenblick stand er am Fenster und beobachtete
den Straßenverkehr. In einem Sessel saß Louis Reboul, mein anderer Mitarbeiter.
Er versuchte die traurige Situation zu vergessen, indem er sich in ein
Kreuzworträtsel vertiefte. Aus dem Nebenzimmer drang Schreibmaschinengeklapper.
Hélène Chatelain, meine listige Sekretärin, wollte den Leuten, die durch den
Hausflur gingen, weismachen, die Agentur Fiat Lux stecke bis über beide
Ohren in Arbeit.
    „Schönes Wetter“, bemerkte Zavatter. „Wenn es
sich hält, werden ‘ne Menge Leute kommen.“
    „Wohin?“ erkundigte ich mich.
    „Nach Monfleury, zum Autorennen in zwei Wochen.“
    „Ich lese grade ‘n interessanten Artikel
darüber. Sieht so aus, als hätte die Nr. io gute Chancen. Der Fahrer
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