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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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ausrotten zu wollen.
Jean Tanneur gehörte zu seiner... Gruppe, verstehen Sie?“
    „Ich glaube, Sie sind besoffen, Burma“, urteilte
der Inspektor und löste seinen verschwitzten Krawattenknoten.
    „Als der Junge mir das erzählt hat, hab ich das
gleiche gedacht. Aber..
    „Schluß mit dem Affentheater!“ unterbrach mich
Faroux. „Es ist brüllend heiß, ich geh jetzt schwimmen. Meine Zeit ist zu
kostbar, um...“
    „Ich habe zuerst geglaubt“, fuhr ich unbeirrt
fort, „daß Jacques mir Märchen erzählen wollte. Aber vor drei Tagen ist ein
anderes Mitglied seiner Bande ebenfalls gestorben: Louis Béquet. Und das gibt
mir zu denken. Sie täten gut daran..
    Faroux, der bereits aufgestanden war, um zur Tür
zu gehen, kam wieder zurück.
    „Davon wußte ich nichts. Wie hieß der Junge?“
    „Louis Béquet, Affengesicht.“
    „Wie bitte!? Ach ja, das warsein Spitzname...
Also, vom Tod dieses Louis Béquet wußte ich nichts. Wahrscheinlich ist daran
nichts mysteriös. Einen Zusammenhang mit der Vergiftung des jungen Tanneur sehe
ich im Augenblick jedenfalls nicht.“
    „Das war der Panther von Clichy, stimmt’s?“
platzte Jacques heraus.
    „Laß uns mit deinen Tiergeschichten in Ruhe,
Schmierfink!“ herrschte Faroux ihn an. „Der Täter war wahrscheinlich Jeans
Vater, der Taxifahrer Frédéric Tanneur. Eine Tragödie! Davon gibt es leider
viel zu viele“, seufzte er. „Nichts Sensationelles. Einfach und furchtbar. Er
soll der beste Taxifahrer von Paris sein, sowohl was sein Talent als Automechaniker
als auch seine genaue Ortskenntnis bis hin zu den dunkelsten Außenbezirken der
Hauptstadt angeht. Leider ist sein Lebenswandel nicht so einwandfrei. Sobald er
frei hat, treibt er sich in zwielichtigen Nachtklubs und Spielhöllen rum. Soll
Touristen ausnehmen wie Weihnachtsgänse. Kommt ungefähr zweimal pro Woche
sturzbesoffen nach Hause. In der letzten Zeit hat er seine Frau und seinen Sohn
öfter verprügelt, nur so zum Vergnügen. Schreit in der Bude rum, daß man’s in
der ganzen Nachbarschaft hört... ‘ne Zumutung!“
    „Manchmal hatte Jean überall blaue Flecken“,
bestätigte Bressol mit leiser Stimme.
    „Gestern hat er Jean Schokolade mitgebracht“,
fuhr der Inspektor fort, ohne Jacques zu beachten. „Das erste Geschenk, das er
seinem Sohn gemacht hat. Und das letzte! Es war nämlich Arsen drin... Aber daß
der Kerl auch den andern vergiftet haben soll, Ihren Alfred...“
    „Louis“, verbesserte ich ihn. „Louis Bréquet.
Schreiben Sie sich den Namen endlich auf, Florimond!“
    Ich reichte ihm meinen Bleistift. Faroux wünschte
mich zum Teufel.
    „Also, ich muß schon sagen“, fügte er hinzu, „der
berühmte Dynamit-Burma ist sehr in meiner Achtung gesunken! Das macht wohl der
schlechte Umgang...“
    Er wies mit dem Kinn auf Bressol und gab mir zu
verstehen, daß ich auf einem Polizeikommissariat mit solch einer Gestalt im
Schlepptau weniger gut ankäme als bei Dreharbeiten von Filmen mit solchen
Titeln wie Sackgasse. Ich kapierte: Nichts zu machen! Ich versprach dem
Zeitungsjungen, mich um die Angelegenheit zu kümmern, und forderte ihn unmißverständlich
auf, das gastliche Haus zu verlassen. Jacques kapierte ebenfalls und zog ab.
    Nun wurde Florimond Faroux etwas umgänglicher.
Der kleine Schmierfink sei ihm auf die Nerven gegangen, sagte er seufzend und
wischte sich zum hundertsten Mal den Schweiß von der glänzenden Stirn. Das
Taschentuch konnte man auswringen. Jetzt bemerkte auch ich, daß die Hitze
unerträglich war. Ganz neu war die Erkenntnis nicht, aber sie brachte mich auf
eine Idee.
    „Haben Sie nichts zu trinken hier?“ fragte ich.
    Faroux zuckte die Achseln, ging zur Tür und
schickte einen seiner Untergebenen zum Bierholen.

Der
Tod des Jean Tanneur
     
    „Gestern nacht, so gegen eins“, begann der
Inspektor, nachdem er den ersten Schluck getan und das Glas wieder auf den
Tisch gestellt hatte, „rief Jean nach seiner Mutter. Zuerst leise, weil er
seinen schnarchenden Vater nicht wecken wollte. Der schlief nämlich seinen
Rausch aus. Als die Schmerzen dann unerträglich wurden, rief Jean lauter. ,Fast
geschrien hat er“, hat Madame Tanneur ausgesagt. Nebenbei bemerkt, ich mag die
Frau nicht! Eine von denen, die sich für was Besseres halten. Drückt sich wer
weiß wie geschwollen aus. ,Oh, Sie müssen nicht meinen, daß es uns immer so
schlecht ging“ etc. Mir gehen die Leute auf den Wecker, die ständig behaupten,
früher wär’s ihnen mal besser gegangen...
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