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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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Aber zurück zu Jean! Der Junge klagte
über starke Magenschmerzen und wahnsinnigen Durst. Während seine Mutter
irgendeinen Kräutertee für ihn kochte, stand er auf, schwankte und fiel hin. Er
wand sich vor Schmerzen und fing an zu kotzen, das Gesicht kreideweiß, Hände
und Füße eiskalt. Der Zaubertrank seiner Mutter schien ihm gutzutun. Er mußte
sich noch ein paarmal übergeben. Der Vater wurde wach, nahm aber die
Magenschmerzen seines Sohnes nicht ernst und ging aus dem Haus. Seitdem ist er
verschwunden. Um zur Arbeit zu gehen, war es noch zu früh. Wahrscheinlich hatte
er Angst vor der Polizei. Übrigens ist er danach nicht zum Dienst erschienen.“
    Faroux trank wieder einen großen Schluck und
stellte das Glas auf den Schreibtisch.
    „Die Tanneurs sind nicht grade reich“, fuhr er
fort. „Nicht weil er als Taxifahrer nicht genug verdienen würde, aber der
größte Teil seiner Tageseinnahmen geht bei seiner Freizeitgestaltung drauf...
Kurz und gut, Madame Tanneur rief im Krankenhaus an, und der Bereitschaftsarzt
diagnostizierte eine Arsenvergiftung. Heute morgen um 9 ist der Junge
gestorben. Nach Aussage der Mutter war der Göttergatte zwar wieder besoffen
nach Hause gekommen, benahm sich aber wesentlich zivilisierter als sonst. Zum
Beispiel öffnete er die Tür mit der Hand. Ja, mit der Hand, Burma, nicht mit
einem Fußtritt! Und während des Abendessens hat er keinen Ton gesagt. Nur
gesoffen hat er wie ‘n Loch, bis er vom Stuhl kippte und auf der Stelle
einschlief. Madame Tanneur fing wie üblich an, ihn auszuziehen, um ihn ins Bett
zu bringen. In der Hoffnung, noch ein bißchen Geld zu finden, durchsuchte sie
seine Taschen und stieß dabei auf ein paar zerdrückte Pralinen, lose,
uneingepackt...“
    „Also war das gar kein Geschenk für seinen Sohn?“
fragte ich.
    „Nach Aussage von Madame Tanneur, nein. Aber es
ist doch ganz offensichtlich, daß die Ärmste ihren Mann nicht zu sehr belasten
will.“
    „Sie haben gesagt: uneingepackt, also waren die
Pralinen weder in der Tüte eines Geschäfts noch in irgendeinem besonderen
Papier?“
    „Bestimmt waren sie ursprünglich eingepackt
gewesen. Aber Madame Tanneur muß alles vernichtet haben.“
    „Dann macht sie sich zur Komplizin eines Mannes,
der sie verprügelt hat? Komplizin wobei? Beim Mord an ihrem eigenen Sohn? Fällt
mir schwer, das zu schlucken, Faroux. Haben Sie die Frau verhaftet?“
    „Noch nicht.“
    In diesem Augenblick kam ein Beamter herein, um
den Inspektor ans Telefon zu rufen. Faroux wischte sich den Bierschaum vom Mund
und ging hinaus. Als er wiederkam, strahlte er mich zufrieden an.
    „Wir haben den Vogel“, sagte er.
    „Frédéric Tanneur?“
    „Höchstpersönlich. Werd ihn mir mal vorknöpfen.
Kommen Sie mit? Das ist zwar gegen die Bestimmungen, aber wir kennen uns jetzt
schon so lange... Und Sie scheinen sich ja sehr für den Fall zu interessieren,
obwohl ich immer noch nicht so recht weiß, warum...“
    „Wollen Sie vorher nicht die Béquets
interviewen? Die Familie wohnt ganz in der Nähe...“
    „Die Béquets? Wer ist denn das?“
    „Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen sich den
Namen notieren! Das sind die Eltern des Knaben, der vor drei Tagen gestorben
ist. Louis Béquet, genannt ,das Affengesicht’.“
    „Ach ja! Louis Béquet... Béquet... Béquet...
Sagen Sie mal... Ah, jetzt weiß ich endlich, warum Sie sich dafür
interessieren! Hieß der Kerl, der mal Ihr bedrohtes Leben gerettet hat, nicht
auch Béquet?“
    „Glückwunsch zu Ihrem phantastischen Gedächtnis!
Ja, das ist der Vater des toten Jungen.“
    Faroux bewegte seine Hände, so als würde er
stricken.
    „Sie ändern sich nie! Weil der Sohn Ihres
Lebensretters drei Tage vor Jean Tanneur abgekratzt ist, weil beide
gleichaltrig waren und zu der Bande dieses Schmierfinks gehörten und weil alle
miteinander zu viele Kriminalgeschichten in den Zeitungen, die sie verkaufen,
gelesen haben — weil das alles so wunderbar zusammenpaßt, stricken Sie sich
eine Geschichte zusammen. Ihre Phantasie geht mal wieder mit Ihnen durch,
Burma. Gehn Sie mir nicht mit Ihrem Louis Béquet auf die Nerven! Wir haben’s
hier mit dem Fall Tanneur zu tun, und der liegt so klar vor mir wie ein
Gebirgsbach. Nichts zu ernten für Dynamit-Burma. Werd’s Ihnen gleich beweisen.
Kommen Sie, Vater Mörder wartet auf uns!“
    Auf dem Weg zum Quai des Orfèvres machte ich mir
so meine Gedanken. Plötzlich schoß mir die Kardinalfrage, die an den Anfang
jeder Ermittlung in einem
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