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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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mit uns in Ihr
Geschäft gehen?“
    Es war so nett.
    „Haben Sie etwas entdeckt?“ fragte er, als wir
zusammen hinuntergingen.
    „Vielleicht.“
    Ich ließ den Geschäftsführer kommen. Ein
dunkelgekleideter Herr mit einem traurigen Beerdigungsgesicht näherte sich uns.
    „Würden Sie so nett sein und eine kleine Umfrage
unter Ihren Verkäuferinnen durchführen?“ fragte ich ihn. „Ich wüßte gerne, ob
jemand eine Schachtel im Regal bemerkt hat, die nicht dort hingehört.“
    Auch der traurige Geschäftsführer war so nett.
Nach einigen Minuten kam er zurück. Flüsternd wandte er sich an seinen Chef.
Beklagte die schlechten Sitten — „Mein Gott, in welcher Zeit leben wir!“ — , es
sei zum Verzweifeln, und dabei sollte man doch meinen, die Kundschaft hier
setze sich aus der besseren Gesellschaft zusammen, nicht wahr!
    „Die Leute befummeln rücksichtslos die
ausgestellte Ware“, fuhr er im Flüsterton fort, „so als wären sie im
Supermarkt, und beschädigen die Verpackung! Gott sei Dank kommt so was nur
selten vor, sehr selten. Aber trotzdem... So ein beklagenswerter Mangel an
guter Kinderstube! Also, wenn Sie meine Meinung dazu hören wollen...“
    „Worum geht es?“ unterbrach Monsieur Bonnier
sein Gejammere.
    Der Geschäftsführer warf mir einen schrägen
Seitenblick zu.
    „Monsieur scheint wohl Bescheid zu wissen“,
sagte er. „In dem Regal habe ich tatsächlich eine Schachtel Pralinen gefunden,
die nicht dort hingehört. Sie war beschädigt. Ich habe sie beiseite gelegt.“
    „Warum?“ fragte ich.
    „Um sie wieder der Verpackungsabteilung
zuzuführen.“
    „Könnte es sein, daß die Schachtel auf diesem
Wege zu der Ware gelangt, die für den Grossisten bestimmt ist?“
    „Es wäre möglich.“
    „Erinnern Sie sich an ähnliche Fälle in letzter
Zeit?“
    Er kramte in seiner Erinnerung.
    „Wie gesagt, so etwas kommt höchst selten vor“,
flüsterte er schließlich. „Aber... na ja, doch, ich glaube, vor drei oder vier
Monaten...“
    Genauer konnte er sich nicht mehr erinnern, aber
das war auch gar nicht nötig. Ich bat ihn, uns die von ihm beiseite gelegte
Schachtel zu bringen. Dann wandte ich mich an Monsieur Bonnier:
    „Wir gehen jetzt hinauf in Ihr Büro und sehen uns
die Schachtel genauer an.“
    Gesagt, getan. Der Direktor öffnete die
Schachtel. Heraus fiel eine Visitenkarte: Nestor Burma, Privatdetektiv.
     
    * * *
     
    Ich setzte mich und zündete mir eine Pfeife an.
    „Ich habe weitergegraben, Monsieur Bonnier“,
sagte ich. „Und bin fündig geworden, wie versprochen! Ich habe diese Schachtel
in Ihrem Geschäft gekauft, bin mit ihr in mein Büro gegangen, hab sie geöffnet
und sie natürlich dabei beschädigt. Nachdem ich meine Visitenkarte hineingelegt
hatte, hab ich die Schachtel wieder sorgfältig zugemacht. Jetzt mußte ich sie
nur noch in das Geschäft schmuggeln und ins Regal legen. Das Regal eignet sich
übrigens hervorragend für so ein Manöver. Sehen Sie nun, Monsieur, wie einfach
es ist, Ware zwar nicht umzutauschen, aber doch unauffällig zurückzustellen?
Man muß nur den Betrag opfern, den die Pralinen kosten. Ja, mit Pralinen geht’s
am besten. Sie sind völlig unverdächtig. Nun, ich habe mich damit begnügt,
meine Karte in die Schachtel zu legen. Was könnte mich davon abhalten, Gift in
die Kugeln zu spritzen?“
    „Mein Gott! „ rief der Direktor. „So ist der
Mörder also vorgegangen?“
    „Genau so! Sie sind sozusagen sein
unfreiwilliger Komplize. Besser, wir halten die Polizei noch für eine Weile
heraus. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß! Und was nützt es ihr schon zu
wissen, wie der Mörder das Arsen unter die Leute bringt? Mich dagegen wird es
auf die Spur des Verbrechers führen. Wenn ich ihn gefunden habe, ist das Haus
Gutt und Lambert aus dem Schneider. Und das ist doch das Wichtigste, nicht
wahr?“
    „Ja, ja, natürlich“, beeilte sich Bonnier
zuzustimmen.
    Er schüttelte den Kopf. Die Unverschämtheit des
Giftmörders war einfach unglaublich!
    „Aber das ist ja bestialisch!“ rief er.
    „Sie sagen es“, murmelte ich.
    „Welches Motiv hat er denn, wahllos Menschen zu
töten?“
    „Er will, daß Menschen sterben“, sagte ich. „Vorzugsweise
Menschen, die er nicht kennt.“
    „So ein Monster! Ich habe geglaubt, willkürliche
Verbrechen seien eine Erfindung der Literatur!“
    „Na ja, willkürlich... Mehr oder weniger.“
     
    * * *
     
    Von der Agentur aus rief ich Marc Covet an.
    „Sie haben zwar nichts mit den
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