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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
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über mich lustig.«
    »Du bist so gütig. Der gütigste Mensch, den ich kenne. Und dann ist Mommy vollständig.«
    »Vollständig?«
    Ihr Lächeln war breit, durchtrieben und krank. »Mommy. Ich habe ihre Teile all die Jahre aufgehoben. Ich übertrage sie in die neue Mommy, und dann kommt sie zu mir zurück. Verstehst du?«

44
    Wow. Es wurde immer bizarrer. Mary glaubte wirklich, sie könne ihre Mutter mit so einem zusammengenähten Ding zurückholen. Wenn das keine Übertragung war! Ich kam mir vor wie in einem Buch von Mary Shelley. Ich lachte. Ich konnte nicht aufhören.
    »Mary Shelley«, sagte ich. »Shel. Die Abkürzung von Shelley. Der Name in Dellas Briefen. Der Name, den Blessing wiederholt erwähnt hat.«
    Sie grinste. »Ich habe auch Sinn für Humor. Manchmal. Ich konnte der Ironie nicht widerstehen.«
    »Du besorgst dir besser ein anderes Herz, Schätzchen. Deine heilige Tally bin ich nämlich nicht.«
    »Von Anfang an war dein Herz dasjenige, das ich für Mommy wollte.«
    Sie war wieder zu ihrer geduckten Haltung zurückgekehrt. Ihr gebleichtes Haar klebte am Kopf, ihre Lippen bebten, und ihre Augen flehten um Verständnis.
    »So hast du sie alle gekriegt, sogar Reen. Weil du den armen Tropf gegeben hast.«
    Sie drückte ab, und ein stechender Schmerz durchfuhr mich. Ich biss mir auf die Lippe, versuchte, mich zu beherrschen. Ein Rinnsal aus Blut tropfte über meinen linken Arm.
    »Mary, ich …«
    »Bettel nur. Mach schon.« Aus ihrem Blick sprachen jetzt Grausamkeit und Selbstgefälligkeit. »All diese schönen Frauen – alle haben sie gebettelt.« Sie kicherte.
    »Reen nicht.«
    »Aber sie ist genauso ausgeflippt wie die anderen, als sie meine schöne Mom gesehen hat.«
    Noch ein neuer Aspekt, ein gut verborgener. Ich hatte Mitleid empfunden. Reen ohne Zweifel auch. »Du amüsierst dich prächtig, was?« Mein verletzter Arm schmerzte teuflisch.
    Sie gluckste. »Ein bisschen. Vielleicht.«
    »Und ich hatte Mitleid mit dir.«
    »Ich liebe dich, Mary«, äffte sie mich nach. »Du liebst mich nicht.«
    »Nicht so, wie du jetzt bist. Aber es ist auch Zärtlichkeit in dir. Ich habe sie gesehen.«
    Sie lächelte. »Ich wünschte, meine wunderschöne Mommy hätte dir Angst eingejagt. In dem Moment wussten sie nämlich alle, dass das, was kommen würde, echt war. Das gefiel mir.«
    Angstschweiß sammelte sich in meinen Achselhöhlen. Oh ja, das hier war echt, ganz sicher. »Hier geht es nur darum, dass du mit Mommy nicht im Reinen bist. Warum nicht, Mary?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Ist sie gestorben, bevor du dich von ihr verabschieden konntest? Oder war sie wütend auf dich und ist gestorben, ohne dass du Gelegenheit hattest, dich zu entschuldigen? War es das?«
    »Komm jetzt da weg.« Ein Klicken.
    Sie hatte den Abzugshahn wieder gespannt. Mein verletzter Arm zuckte. »Was war nicht abgeschlossen, Mary? Welchen Teil deiner Trauer hast du nicht ausgelebt? Hast du Mommy genauso gehasst, wie du sie geliebt hast?«
    »Beweg dich! Sofort!«
    Ich tauchte mit den Armen in das Becken und schlang sie um den Körper.
    Mary kreischte. »Weg da! Du infizierst sie!«
    Ich riss den Kadaver so heftig hoch, dass mich der Schwung nach hinten taumeln ließ.
    Ich wankte, denn das Gewicht war größer, als ich gedacht hatte. Ich versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
    Ich fiel um, entsetzt von dem Gedanken, dass der Leichnam auf mir landen könnte.
    Bumm! Ich landete auf der Schulter. Doch ich klammerte mich weiter an den zusammengeschusterten Leichnam. Eines der Beine riss halb ab. Oh Gott.
    Ein Kreischen.
    Ich klammerte mich an den Körper und dachte dabei hektisch an die Größe von Pistolen und Kugeln und an die Frage, ob wohl eine Kugel durch den Leichnam und in mich dringen konnte.
    Egal. Ich schob das konservierte Leichenfleisch zu Mary, wobei sich teilweise ein Arm löste.
    Ich rannte los. Was konnte sie aufhalten? Was? Was?
    Ein Blick über die Schulter zeigte mir, dass sie krampfhaft versuchte, die kostbare Hülle ihrer Mutter anzuheben. Sie schob die Hände unter die Achselhöhlen und begann, sie Richtung Becken zu schleifen.
    Das zweite Bein riss ab. Sie schrie auf, doch ihre Hand umklammerte noch immer die Pistole.
    Ich schnappte mir die Tragbahre und rollte sie mit Höchstgeschwindigkeit auf das Becken zu.
    Ich ließ die Bahre seitlich dagegen knallen. Nicht ein Sprung im Glas. Nichts.
    »Stopp!«, brüllte Mary.
    Ich sprang auf, wich zurück und rannte wieder dagegen an. Rums! Die
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