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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte
Autoren: Vicky Stiefel
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geschossen?« Ich deutete auf die Tiere.
    »Himmel, nein. Ich würde doch nie ein Tier erschießen.«
    Sie hatte das ganz ernst gesagt. Ich hätte am liebsten laut gelacht. Was für eine Ironie. »Verstehe.«
    »Mein Vater hat Tiere präpariert. Meine Schwester fand das ekelig. Ich fand es total cool. Durch diese Methode werden die armen toten Kreaturen wenigstens konserviert.«
    So also hatte sie Trepel kennengelernt.
    Was mussten all die Frauen empfunden haben, als sie das erste Mal dieses Horrorkabinett betreten hatten? »Diese Tiere. Die sind doch alle hohl und verstaubt. Ganz leer. Fühlst du dich auch so, Mary?«
    Sie fuhr sich mit der Rückseite ihrer Pistolenhand über die Stirn.
    »Sie sind wunderschön. Mein Vater war ein Genie. Er hat mir alles beigebracht, was er wusste. Sie tragen immer noch die Seele des Tieres in sich. Siehst du das nicht?«
    Oh ja, das sah ich. Wenn ich es nicht schaffte, Gert und mich nicht hier rauszuholen, würden wir als Teil von Marys kleinem Theater enden. »Natürlich tragen sie die nicht mehr in sich.«
    »Doch! Scheiß auf dich.«
    »Ich bin so benebelt. Kann ich mich hinsetzen?«
    »Nein!« Sie nahm meinen Ellbogen. »Das kommt von dem Schlafmittel. Wir gehen zurück in dein Zimmer.«
    Sie deutete mit der Pistole in Richtung des Flurs und des Zimmers.
    »Geht schon wieder.« Ich hatte Angst, nicht mehr aufzuwachen. »Ich setz mich nur mal kurz.«
    Ich ließ mich auf einen hohen Stuhl neben einem der Labortische gleiten. Was jetzt? Ich legte den Kopf in die Hände und täuschte einen Schwindel vor, den ich nicht empfand. Wie konnte ich Gert und mich befreien?
    Vor mir standen Laborgläser. Ich konnte ihr eins auf den Kopf schlagen. Ein Schlauch führte von einem gebogenen Wasserhahn bis zum Abfluss. Ich konnte das heiße Wasser aufdrehen und versuchen, sie zu verbrühen. Oder ich konnte so tun, als würde ich das Bewusstsein verlieren, zu Boden sinken und sie überwältigen, wenn sie sich dann über mich beugte.
    Tolle Ideen. Keine von denen würde etwas gegen eine Kugel ausrichten können. Sie hatte die anderen betäubt, auch Gert. Warum hielt sie mich nicht betäubt?
    »Es wird Zeit«, sagte sie.
    Mist. »Zeit?«
    Ihr Gesicht wurde traurig. »Für Gert. Ich muss dich wieder einschließen. Eine Schande. Ich wünschte, du könntest mir bei der Arbeit zusehen.«
    »Und danach?«
    Ihre schmalen Lippen verschwanden ganz. »Dann unterhalten wir uns noch ein bisschen.«
    »Tun wir das? Oder bin ich dann an der Reihe?«
    Ihr Blick schweifte ab. »Ich weiß nicht. Ich weiß doch nicht. Aber es wird Zeit. Ich muss Gert jetzt drannehmen.«
    Halt sie auf, schrie es in mir. »Aber ich hab ja noch gar nicht alles gesehen. Was ist hinter dem Vorhang?«
    »Nichts.« Sie winkte mit der Pistole und bedeutete mir aufzustehen.
    »Ach, jetzt komm schon.« Ich blieb hartnäckig sitzen. »Hinter dem Vorhang muss doch etwas Besonderes sein.«
    »Vergiss es. Ich muss jetzt anfangen.«
    Ich glitt von dem Stuhl und tat so, als wäre ich einverstanden. Dann sprintete ich quer durchs Zimmer. Mein Rücken schmerzte und ich rechnete mit einem Schuss aus der Pistole. Ich erreichte den Vorhang und riss ihn zur Seite.
    »Mein Gott!«
    Der Kadaver war scheußlich anzusehen. Er war auf Polster gebettet und schwebte an Drähten, die von der Decke hingen, in einer Art Aquarium, das knapp zwei Meter lang war. In dem Becken gluckerte es, und faulige Blasen stiegen aus der zähen Flüssigkeit auf, die den Kadaver umgab.
    »Geh weg von ihr!«, kreischte Mary.
    Der Deckel des Beckens fehlte, und ich hielt mich an den Kanten fest, um nicht rückwärts zu taumeln. Ich schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund, um nicht die Fassung zu verlieren.
    Ich hatte schon viele schreckliche Dinge gesehen.
    Aber so etwas Schreckliches noch nicht.
    »Sie gefällt dir«, sagte Mary. »Das freut mich. Ich war mir dessen nicht sicher.«
    Ich spürte, dass Mary am Fuß der Stufen stand. Ich spürte auch ihre Erregung, den Nervenkitzel angesichts meiner Entdeckung.
    Ich sah hinein.
    Reens liebes Gesicht sah zu mir hoch. Ich unterdrückte ein Schluchzen. Winzige Stiche umgaben Augen, die nicht Reens waren, sondern Della Charles’ goldene Katzenaugen. Aber Reens Gesicht war völlig verzerrt, und Dellas Augen waren eingesunken.
    »Hast du Angelas Augen weggeworfen, als du Dellas gefunden hast?« Ich drehte mich nicht um, da ich Angst hatte, sie könnte meinen Ekel sehen.
    »Ihre Augen gefielen mir besser als Angelas. Du hast ja das andere
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