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Tödliche Beute

Tödliche Beute

Titel: Tödliche Beute
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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erleuchtet. Die lange schmale Kabine war wie das Ruderhaus eines Schiffs aufgebaut, einschließlich Kompass und Speichenrädern für die Seiten- und Höhensteuerung.
    Neben dem Steuermann stand breitbeinig, kerzengerade und mit hinter dem Rücken verschränkten Armen Kapitän Heinrich Braun in seiner makellosen dunkelblauen Uniform mit der hohen Schirmmütze. Trotz der Heizung war Kälte in die Kabine eingedrungen, und so trug er unter seiner Jacke einen dicken Rollkragenpullover. Brauns selbstbewusstes Profil wirkte wie aus Granit gemeißelt.
    Seine stocksteife Haltung, das militärisch kurze silbrige Haar und das leicht nach oben gereckte vorspringende Kinn gemahnten an seine Zeit als preußischer Marineoffizier.
    Er überprüfte den Kompasskurs und wandte sich dann einem beleibten Mann mittleren Alters zu, dessen buschiger, nach oben gezwirbelter Schnurrbart ihn wie ein gutmütiges Walross aussehen ließ.
    »So, Herr Lutz, die erste Etappe unserer historischen Reise haben wir soeben erfolgreich bewältigt.« Braun sprach in einem sehr gewählten, anachronistischen Tonfall. »Wir halten konstant eine Geschwindigkeit von einhundertzwanzig Kilometern pro Stunde. Ungeachtet des leichten Gegenwinds liegt unser Treibstoffverbrauch exakt auf dem vorausberechneten Wert. Mein Kompliment, Herr Professor.«
    Hermann Lutz mochte äußerlich dem Zapfer in einem Münchener Bierkeller ähneln, doch er war einer der erfahrensten Luftfahrtingenieure Europas. Im Anschluss an seine Pensionierung hatte Braun in einem Buch vorgeschlagen, quer über den Pol eine Luftschifflinie nach Nordamerika einzurichten. Während der Lesereise war er mit Lutz zusammengetroffen, der sich zu jener Zeit bemühte, Investoren für eine Polarexpedition zu gewinnen. Die beiden Männer einte der feste Glaube, dass Luftschiffe sich nutzbringend auf die internationale Zusammenarbeit auswirken könnten.
    Lutz’ blaue Augen funkelten aufgeregt. »Und ich gratuliere
Ihnen
, Kapitän Braun. Gemeinsam wird es uns gelingen, den glorreichen Gedanken des Weltfriedens zu fördern.«
    »Ich bin sicher, Sie meinen den glorreichen Gedanken an die Größe
Deutschlands
«, spottete Gerhardt Heinz, ein kleiner, schmächtiger Mann, der hinter den anderen gestanden und jedes Wort mitgehört hatte. Mit theatralischer Geste zündete er sich eine Zigarette an.
    »Herr Heinz, haben Sie etwa vergessen, dass sich über unseren Köpfen Tausende Kubikmeter leicht entzündlichen Wasserstoffs befinden?«, fragte Braun ihn frostig.
    »Rauchen ist nur in dem eigens ausgewiesenen Bereich der Mannschaftsunterkünfte gestattet.«
    Heinz murmelte etwas Unverständliches und drückte die Zigarette mit den Fingern aus. Um nicht als Unterlegener dazustehen, reckte er sich wie ein eingebildeter Gockel.
    Sein Kopf war vollständig kahl geschoren, und wegen seiner Kurzsichtigkeit trug er ein Pincenez zur Schau. Das blasse Haupt saß auf schmalen Schultern, und obwohl er einschüchternd wirken wollte, fiel das Ergebnis eher grotesk aus.
    Lutz fand, dass Heinz mit seinem engen schwarzen Ledermantel einer Made glich, die aus der Puppe schaute, behielt den Gedanken aber wohlweislich für sich. Heinz’ Anwesenheit war der Preis, den Braun und er hatten zahlen müssen, um diese Fahrt überhaupt zu ermöglichen.
    Das und der Name des Luftschiffs:
Nietzsche
, nach dem deutschen Philosophen. Deutschland mühte sich, dem finanziellen und psychologischen Joch des Versailler Vertrags zu entrinnen. Als Lutz vorgeschlagen hatte, mit einem Luftschiff zum Nordpol zu reisen, war das öffentliche Echo sehr positiv ausgefallen, aber das Projekt geriet ins Stocken.
    Eine Gruppe von Industriellen trat in aller Stille mit einem neuen Vorschlag an ihn heran: Sie würden mit Unterstützung des Militärs eine geheime Luftschiffreise zum Nordpol finanzieren. Falls die Mission ein Erfolg war, wollte man sie der Öffentlichkeit präsentieren, und die Alliierten sähen sich vollendeten Tatsachen gegenüber, die eindeutig die Überlegenheit der deutschen Luftfahrttechnik demonstrierten. Einen Fehlschlag würde man geheim halten, um keinen Makel davonzutragen. Der Bau des Luftschiffs, als dessen Vorbild Lutz sich die gewaltige
Graf Zeppelin
nahm, fand hinter verschlossenen Türen statt. Ferner gehörte zu der Abmachung, dass Heinz als Interessenvertreter der Industriellen an der Expedition teilnehmen würde.
    »Kapitän, könnten Sie uns den derzeitigen Stand bitte etwas genauer erläutern?«, fragte Lutz.
    Braun ging zu
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