Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
erinnerte an ein historisches Foto in einem Geschichtsbuch. Aber einige der kleinen Antiquitätenläden hatten geöffnet und verkauften alle möglichen Sachen, einer auch Kaffee in Styroporbechern. Er ließ sich einen Becher mit schwarzem Kaffee geben, der ihn sein letztes Geld kostete, ihn aber wärmte. Während er ihn trank, schlenderte er bis ans Ende der Pier, warf den Becher in einen Abfallkorb, blieb stehen und beobachtete eine Zeit lang das graue Meer. Dann machte er kehrt, ging über die Pier zurück und sah zwei Männer auf sich zukommen.
    Es waren Kerle in handlicher Größe, klein, aber breit, die fast identische blaue Bootsmannsjacken, graue Jeans und Mützen trugen. Aus grauer Wolle gestrickte Rundmützen, die tief heruntergezogen auf ihren Quadratschädeln saßen. Sie wussten offensichtlich, wie man sich im hiesigen Klima anzog. Sie hatten ihre Hände in den Taschen vergraben, weshalb er nicht sehen konnte, ob sie zu den Mützen passende Handschuhe trugen. Da die Taschen ihrer Jacken hoch angesetzt waren, wurden ihre Ellbogen nach außen gedrückt. Ihre Füße steckten in schweren Stiefeln, die einem Stahlkocher oder Hafenarbeiter alle Ehre gemacht hätten. Sie schienen beide etwas O-beinig zu sein, aber vielleicht versuchten sie nur, ihn mit ihrem Gang einzuschüchtern. Von früheren Schlägereien herrührende Narben um die Augenbrauen zierten ihre Gesichter. Sie sahen aus wie Jahrmarktsrausschmeißer oder Hafenviertelschläger von vor fünfzig Jahren. Reacher drehte sich kurz um und sah niemanden hinter sich, weshalb er einfach stehen blieb. Er machte sich nicht die Mühe, sich mit dem Rücken zum Geländer zu stellen.
    Die beiden Kerle kamen heran, blieben etwa zweieinhalb Meter vor ihm stehen und bauten sich vor ihm auf. Reacher bewegte probeweise die Finger, um festzustellen, wie kalt sie waren. Zweieinhalb Meter waren eine interessante Entfernung. Sie bewies, dass sie erst reden und dann raufen wollten. Er bewegte den Kopf nach links und rechts, dann leicht vor und zurück, um die Nackenmuskulatur zu lockern, und atmete durch die Nase. Der Wind kam von hinten. Der Kerl links vor ihm nahm seine Hände aus den Taschen. Keine Handschuhe. Und er hatte eine schlimme Arthritis oder hielt in beiden Händen je eine Rolle Münzen.
    »Wir haben ’ne Nachricht für dich«, begann er.
    Reacher warf einen Blick aufs Geländer der Pier und das Wasser dahinter. Die See war grau und aufgewühlt. Vermutlich eisig kalt. Die beiden Kerle hineinzuwerfen wäre Mord gewesen.
    »Von diesem Klubmanager?«, fragte er.
    »Von seinen Leuten, yeah.«
    »Er hat Leute?«
    »Wir sind in Atlantic City«, erklärte der Kerl. »Ist doch logisch, dass er Leute hat.«
    Reacher nickte. »Okay, lasst mich raten. Ich soll abhauen, Leine ziehen, verduften, aus der Stadt verschwinden, nie mehr zurückkommen, mich nie wieder blicken lassen, vergessen, dass ich jemals hier war.«
    »Cleveres Kerlchen!«
    »Ich kann Gedanken lesen«, sagte Reacher. »Hab früher in einer Jahrmarktsbude gearbeitet. Gleich neben der bärtigen Lady. Wart ihr beiden nicht auch dort? Drei Buden weiter? Die hässlichsten Zwillinge der Welt?«
    Auch der Kerl rechts nahm jetzt seine Hände aus den Taschen. Er hatte entweder auch schwere Arthritis oder ebenfalls zwei Rollen Quarter in den Händen. Reacher lächelte. Er mochte Münzrollen. Eine gute altmodische Technik. Und sie ließ auf die Abwesenheit von Schusswaffen schließen. Niemand umklammert Rollen mit Geldstücken, wenn er eine Pistole in der Tasche hat.
    »Wir wollen dir nicht wehtun«, sagte der Typ rechts.
    »Aber du musst verschwinden«, meinte der linke. »Wir können keine Leute brauchen, die sich in die wirtschaftlichen Abläufe dieser Stadt einmischen.«
    »Also nimm den bequemen Ausweg«, fuhr der Rechte fort. »Lass dich von uns zum Busbahnhof begleiten. Sonst könnten auch die alten Leutchen zu leiden haben. Und nicht bloß finanziell.«
    Reacher hörte eine völlig unpassende Stimme in seinem Kopf. Geradewegs aus seiner Kindheit, die Stimme seiner Mutter, die ihn ermahnte: Bitte, fang keine Prügelei an, wenn du neue Sachen anhast. Dann hörte er seinen Nahkampfausbilder in der Grundausbildung sagen: Schnell, kräftig und erbarmungslos zuschlagen. Er bewegte seine Schultern. Plötzlich war er der jungen Frau in dem Laden sehr dankbar, weil sie ihn dazu gebracht hatte, die nächste Größe zu nehmen. Während er die beiden Kerle ausdruckslos betrachtete, lag in seinem Blick nur leichte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher