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Töchter der Sechs (German Edition)

Töchter der Sechs (German Edition)

Titel: Töchter der Sechs (German Edition)
Autoren: Anja Buchmann
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gebaut werden und Vertreter der Regierung mussten die helwarische Sprache sowie Sitten und Gebräuche studieren, bevor sie das Land besuchten. 
    Darija atmete auf, als sie erfuhr, dass man keineswegs vorhatte, sie erneut nach Helwa zu entsenden. Das wäre schon deshalb wenig sinnvoll, da der König sie für tot hielt. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Ausführungen des Sprechers. Er erläuterte Details möglicher weiterer Besuche. Dann wandte er sich an Darija und ihre Begleiter: „Es ist uns bewusst, dass ihr bereits viel geleistet habt, dennoch wäre es hilfreich, wenn ihr unsere Bemühungen unterstützen würdet. Schiffbauerin Darija, Ihr habt schon einmal ein Schiff für die Überfahrt gebaut, wer wäre also geeigneter, neue Schiffe dafür zu bauen. Euch, Felkan, würden wir bitten, unsere Abgesandten in der Sprache und Kultur Helwas zu unterrichten. Auch Ihr, Priesterin Zada, könntet Euch an dieser Aufgabe beteiligen, aber uns wurde zugetragen, dass Ihr Euren Dienst im Tempel wieder aufnehmen möchtet. Dennoch wollten wir Euch die Alternative dazu nicht vorenthalten. Was Eure Schwester Tira angeht, so halten wir es aufgrund ihres Alter für besser, wenn sie eine Lehre nach ihren Vorlieben wählt. Sollte sie später den Wunsch haben, uns zu unterstützen, ist sie willkommen. Selbstverständlich werden wir die notwendigen Mittel zu Verfügung stellen und für eine angemessene Entlohnung sorgen. Ihr braucht euch nicht gleich zu entscheiden und es steht euch natürlich frei, unser Ansinnen abzulehnen.“
     
    Vielleicht war es keine schlechte Idee, das Angebot des Regierungsrates anzunehmen. Er könnte damit seiner neuen Heimat Cytria einen Dienst erweisen und gleichzeitig etwas für Helwa tun, denn Beziehungen zu Cytria würden die Lage dort sicher verbessern. Noch bevor die Zusammenkunft offiziell beendet war, hatte er eine Entscheidung getroffen. Dennoch wollte er sie erst verkünden, wenn er mit Darija darüber gesprochen hatte.
     
    Sie hatten nicht lange gebraucht, um eine Entscheidung zu fällen. Zada hatte sich für ein Leben im Tempel entschieden, während sie und Felkan in den Dienst der Regierung treten wollten. Für Darija war es kein großer Schritt, alles, was sie wollte, war Schiffe zu bauen. Lediglich die Tatsache, dass sie dies in Aaran statt in Jal tun würde, hatte sie kurz zögern lassen. Aber Felkans Begeisterung für diese Aufgabe ließ sie die Trennung von ihrer Familie verschmerzen. Sie konnte gut verstehen, warum er das Angebot gerne annehmen wollte. 
    Noch am Abend ließen sie dem Rat ihren Entschluss zukommen. In ihrem Schreiben baten sie darum, ihren Dienst erst in zwei Monden antreten zu müssen. Zuvor wollten sie nochmals nach Jal reisen, um dort im Kreise von Darijas Familie zu heiraten.
     
    Jahr 3620 Mond 5 Tag 21
    Tempel-Oase
    Sie hatte viele verschiedene Muster ausprobieren müssen, bis sie die Worte auf dem Boden des Tempels in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht hatte. Drei Tage waren darüber verstrichen, doch nun hatte sie einen oder sogar zwei sinnvolle Satzanfänge gefunden. Heute würde sie das Rätsel des Wüstentempels lösen. Wie jeden Morgen hatte sie den Sand vom Boden gefegt. Nun lag der Text offen vor ihr. Sie war aufgeregt und hoffnungsvoll. Würden die Götter ihre Mühen belohnen? Sie verbot sich den Gedanken daran, dass der Text ohne Bedeutung sein könnte. Nach all dem Leid und dem großen Verlust, den sie hatte erleiden müssen, hätte ihr das jeden Lebenswillen geraubt. 
    Ihr Mund war trocken und sie zitterte, obwohl die Sonne vom Himmel herabbrannte. Sie ging, um etwas Wasser zu trinken. Als sie sich erfrischt hatte, konnte sie den Moment der Wahrheit nicht mehr hinauszögern. Sie folgte dem gefundenen Muster. Zunächst ging sie vom siebten Feld der ersten Zeile nach rechts, bis sie die Wand erreichte, dann ging sie einen Schritt vor und folgte der zweiten Zeile vom zwölften zum siebten Feld. Auf diese Weise fuhr sie fort, bis sie die zwölfte Zeile erreicht hatte. Die zweiundsiebzig Worte ergaben einen Text, der haargenau beschrieb, was sie in der letzten Zeit durchlitten hatte: 
    Nah und fern, vertraut und fremd, dennoch öffnete sie ihr Herz. Doch die Götter forderten ein Opfer und nahmen ihr ihre Liebe. Sie stürzte in tiefe Trauer und der Schmerz war übermächtig. Sie aber fand zu sich selbst und ihrer Stärke. Obgleich sie nichts zu erwarten hatte, stellte sie sich in den Dienst der Götter. Ihr Einsatz half dem, den sie liebte.
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