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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber
Autoren: Petra Würth
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schwerhörig?«
    »Nein. Aber ich kenne keinen Stefan Hubertus. Nie von ihm gehört.«
    »Auf der Bühne nannte er sich Stefano Monetti.«
    »Der Magier?«
    »Korrekt.« Stürzenbecher schob mich durch eine Schwingtür. »Als wir gestern Nacht seine Assistentin im Krankenhaus aufsuchten, hielt sie deine Visitenkarte in der Hand. So etwas macht mich stutzig. Das verstehst du doch.«
    »Das bedeutet gar nichts.« Automatisch fiel ich in eine Verteidigungshaltung. »Ich war gestern im Varieté, mit meiner Tochter. Anna, also die Assistentin, hat mich auf die Bühne geholt, damit ich die Pistolenkugel in Augenschein nehme. Mehr war da nicht.«
    »Und bei der Gelegenheit hast du ihr deine Visitenkarte zugesteckt?«
    »Nein, das war hinterher, als Monetti oder Hubertus schon umgekippt war. Da habe ich nachgesehen, was mit ihm passiert ist, weil meine Tochter völlig verstört war. Anna tat mir leid, sie stand unter Schock. Ich dachte, es hilft ihr, wenn sie mit jemandem reden kann.«
    »Klar«, grunzte Stürzenbecher, »du wolltest nur mit ihr reden.«
    »Das ist die Wahrheit.«
    »Außerdem sieht sie sensationell gut aus, findest du nicht?«
    »Ja«, gab ich zu.
    Der Hauptkommissar öffnete eine weitere Tür und wir kamen in den weiß gekachelten, von einer starken Klimaanlage gekühlten Raum, in dem Patienten nicht mehr gepflegt, sondern in Schubfächern aufbewahrt werden und die behandelnden Ärzte mit Instrumenten hantieren, die denen von Schlachtern nicht unähnlich sind.
    Stefan Hubertus alias Stefano Monetti lag auf einem Metalltisch in der Mitte. Zumindest das meiste von ihm. Der Rest befand sich in Metallschüsseln auf einer fahrbaren Ablage und hatte ihm vermutlich mal als Herz, Leber oder Niere gedient. Einer der beiden Rechtsmediziner, die sich über den Leichnam beugten, griff gerade mit der behandschuhten Hand in den geöffneten Oberkörper. Ich wandte mich ab und betrachtete die Kacheln an der Wand. Zum Glück hatte ich heute Morgen nur eine Schüssel Müsli gefrühstückt.
    »Ist was?«, fragte Stürzenbecher spöttisch.
    »Nein, alles in Ordnung«, log ich.
    »Herr Professor!«, rief der Hauptkommissar. »Könnten Sie einen Moment zu uns kommen!«
    Ich holte Luft und stellte mich der Aufgabe. Der größere der beiden Mediziner streifte die blutbeschmierten Handschuhe ab und zog den Mundschutz nach unten, als er zu uns trat. Seine freundlichen Augen musterten mich fragend, während er die Hand ausstreckte.
    »Celenius. Kennen wir uns nicht?«
    »Wilsberg.« Ich ergriff seine Hand. »Die alten Damen in St. Mauritz, die wegen medizinischer Versuche sterben mussten. Ich habe Sie damals um Unterstützung gebeten.«
    »Richtig.« Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ein interessanter Fall. Ein wirklich sehr interessanter Fall. Dagegen ist unser Magier reine Routine.« Er schaute zu Stürzenbecher. »Darf ich?«
    »Reden Sie ruhig!«, sagte der Hauptkommissar.
    »Frontaler Kopfschuss drei Zentimeter oberhalb der Augen. Die Kugel hat lebenswichtige Bereiche seines Gehirns zerstört.« Celenius’ hanseatischer Akzent wurde stärker. »Der Mann war praktisch tot, als er auf dem Boden aufschlug. Merkwürdig ist nur, dass das Projektil nicht wieder ausgetreten ist. Ich nehme an, dass die Wucht des Schusses durch etwas Gläsernes abgeschwächt wurde. Wir haben winzige Glassplitter in der Wunde gefunden.«
    »Er stand hinter einer Glasscheibe«, bestätigte ich.
    »Und vermutlich war das Ganze etwas anders gedacht«, sagte Celenius. »Sonst kann man einen solchen Trick immer nur einmal vorführen.«
    »Hubertus hat den Kugeltrick schon Dutzende Male praktiziert«, schaltete sich Stürzenbecher ein. »Normalerweise verschwindet die Metallkugel, die vor den Augen des Publikums in den Lauf eingeführt wird, in einem Geheimfach innerhalb der Pistole. Abgefeuert wird ein hauptsächlich aus Wachs bestehendes Geschoss, das schon vorher im Lauf steckt. Die Wachskugel hat genug Kraft, um die Glasscheibe zu durchschlagen, kann den dahinter stehenden Mann jedoch nicht mehr verletzen.«
    »Und was ist schiefgegangen?«, fragte Celenius.
    »Das wissen wir noch nicht. Jedenfalls blieb die Metallmunition im Lauf und wurde zusammen mit dem Wachs abgefeuert.«
    »Dumm«, nickte der Professor. »Passiert so was häufiger?«
    »Selten, aber es kommt vor.«
    »Da würde ich doch lieber dabeibleiben, Kaninchen aus einem Hut zu zaubern.«
    »Ja«, sagte Stürzenbecher. »Aber wo Herr Wilsberg schon mal da ist, würde ich ihn
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