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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber
Autoren: Petra Würth
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und setzten uns an unseren Tisch in der ersten Reihe.
    Das männliche Moderatorenpaar, das sich in Clownskostümen durch das Programm kalauerte, kündigte ein ostasiatisches Körperwunder an. Drei zierliche Chinesinnen verbogen sich und ihre Partnerinnen derart, dass einige Zuschauerinnen im Saal schmerzhaft aufstöhnten. Und dann traten erneut Monetti und Anna auf die Bühne.
    Sarah stieß mich in die Seite. »Die ist viel zu jung für dich!«
    Anna sah wirklich fantastisch aus. Statt der hautengen Gymnastikkleidung, die sie in der Kiste getragen hatte, war sie jetzt in ein elegantes pinkfarbenes Kleid gewandet, das ihre dunkle Haut noch besser zur Geltung brachte. Monetti, den ich auf Mitte dreißig schätzte, gab seinerseits eine moderne Version des Zauberers ohne Frack und Fliege. Mit seinem schlichten schwarzen Anzug und dem grauen Rollkragenpullover hätte er auch angestellter Ernährungsberater einer Krankenkasse sein können.
    Monetti legte Anna auf die Lehnen mehrerer Stühle und zog dann einen nach dem anderen weg, bis sie nahezu frei in der Luft schwebte. Lediglich ihre linke Ferse ruhte auf dem letzten verbliebenen Stuhl. Das Publikum applaudierte begeistert.
    Während der Magier seine Assistentin wieder auf die Füße stellte und die beiden sich artig verbeugten, räumten Helfer die Requisiten weg und postierten eine große Glasscheibe auf der Bühne. Spannungsmusik dröhnte aus den Lautsprechern.
    »Und jetzt, meine Damen und Herren«, verkündete Monetti mit leichtem Tremolo in der Stimme, »werden Sie Zeugen des gefährlichsten Experiments, das es in der Magie gibt. Mit dieser Pistole hier …«, eine schnelle Bewegung und er hielt eine Pistole ins Scheinwerferlicht, »… wird meine Assistentin Anna auf mich schießen.« Monetti schaute kurz zu Anna und wandte sich dann wieder an das Publikum. »Aber keine Angst, mir wird nichts geschehen. Ich werde die Kugel mit den Zähnen auffangen. Das klappt …«, Kunstpause, »… fast immer.«
    Einige zögerliche Lacher im Saal.
    »Doch glauben Sie nicht, dies sei nur ein Trick.« Monetti machte eine ausladende Geste. »Diese Glasscheibe ist der Beweis. Wenn Anna auf mich schießt, stehe ich dahinter. Die Kugel wird also zunächst das Glas durchschlagen und anschließend mich treffen. Sollte die Scheibe unversehrt bleiben, bekommen Sie Ihr Eintrittsgeld zurück.«
    Erneute Lacher.
    »Damit nicht genug …«, der Zauberer präsentierte zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand eine Kugel, »… ich bin bereit, das Projektil von Ihnen überprüfen zu lassen. Anna!«
    Anna nahm ihm die Kugel ab und schaute sich suchend um. Nach einem Moment des Zögerns fing sie meinen Blick auf und kam auf mich zu.
    »Natürlich«, murmelte Sarah.
    Ich ergriff die ausgestreckte Hand der Assistentin und kletterte auf die Bühne. »Einen Applaus für unseren mutigen Helfer!«, forderte Monetti.
    Unter dem Beifall der Zuschauer und begleitet von Annas Lächeln wog ich das Geschoss in der Hand.
    »Und?«, fragte Monetti, wobei er mir ein Mikrofon vor den Mund hielt.
    »Sieht echt aus«, sagte ich pflichtbewusst.
    »Es sieht nicht nur echt aus, es ist auch echt«, gab der Magier zurück. »Ritzen Sie bitte eine Markierung hinein. Damit Sie hinterher bestätigen können, dass ich das richtige Projektil aufgefangen habe.«
    Anna reichte mir ein Messer und ich ritzte eine kleine Kerbe in die Umhüllung. Dann schob Anna die Kugel so in den Lauf der Pistole, dass nicht nur ich, sondern auch alle anderen den Vorgang verfolgen konnten.
    Monetti klopfte mir auf die Schulter. »Vielen Dank! Sie dürfen sich wieder setzen.«
    Ohne Annas Hilfe kehrte ich auf meinen Platz zurück.
    »Die ist doch nicht wirklich echt, oder?«, flüsterte Sarah.
    »Doch. Aber ich wette, das ist nicht die Kugel, die abgefeuert wird.«
    Inzwischen stand Monetti etwa zwei Meter hinter der Glasscheibe und lockerte grimassierend seine Mundmuskulatur. Anna ging zum rechten Bühnenrand.
    Trommelwirbel setzte ein.
    »Bist du bereit?«, fragte der Magier seine Assistentin mit gespielter oder echter Anspannung.
    »Ich bin bereit«, kam die prompte Antwort. Die dunkle Stimme hatte einen deutlichen Akzent.
    Anna hob langsam die Pistole.
    Der Trommelwirbel stoppte abrupt.
    Sie schoss.
    Die Glasscheibe splitterte.
    Der Magier wankte, streckte Hilfe suchend seine rechte Hand aus, fiel nach hinten und blieb reglos auf dem Bühnenboden liegen.
    Hinten im Saal klatschte jemand. Wahrscheinlich ein kurzsichtiger Besucher, dem
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