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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber
Autoren: Petra Würth
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Sarah ließ den Kopf hängen und ich suchte nach dem richtigen Satz, um sie ein bisschen aufzumuntern. Schließlich sagte ich: »Das tut mir leid, dass der Abend so enden musste. Aber bis dahin war es ein wirklich schöner Geburtstag.«
    »Was redest du für einen Blödsinn?«, gab Sarah patzig zurück. In ihren Augen schimmerten Tränen. »Es war der schlimmste Abend, den ich je erlebt habe. Und wieso tut’s dir leid?« Ihre Stimme bekam einen hysterischen Ton. » Ich bin auf die bescheuerte Idee gekommen, dir eine Eintrittskarte für das Varieté zu schenken. Hätte ich mir ja denken können, dass das eine Katastrophe wird.«
    »Unsinn.« Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. »Du kannst nichts dafür, dass der Mann gestorben ist. Und mir tut’s leid, weil ich damit wahrscheinlich besser umgehen kann als du.«
    »Du meinst, weil ich noch nie gesehen habe, wie jemand stirbt? Weil ich die Bilder in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde und ich heute garantiert nicht einschlafen kann? Und, falls doch, einen Albtraum nach dem anderen haben werde?«
    »So etwas in der Art habe ich gedacht«, gab ich zu.
    »Und weißt du was? Damit kannst du sogar recht haben. Ich schätze, ich werde heute Nacht die Lampe neben dem Bett nicht ausmachen. Und die Türen zu deinem und meinem Zimmer sollten offen bleiben, ist das klar?«
     
    Im Auto und später in meinem Wohnzimmer diskutierten wir darüber, wieso der Kugeltrick nicht geklappt und ob es sich um einen Unfall oder vielleicht sogar um Absicht gehandelt hatte. Viel zu spät, jedoch einigermaßen gefasst, ging Sarah ins Bett, stand nur noch zwei Mal wieder auf und fiel dann in einen unruhigen Schlaf.
    Ich genehmigte mir einen dreifachen Whisky und schaute auf die Uhr. Fünf nach zwölf. Mein Geburtstag war endlich vorbei.

2
    Pia Petry geht zum Tanzen
    Als ich am Sternschanzenpark aus dem Bus steige, fallen erste Regentropfen vom Himmel. Hamburger Schmuddelwetter. Das hat mir gerade noch gefehlt. Im Laufschritt überquere ich die Schanzenstraße, passiere die Bahnunterführung und schiele zur geschlossenen Wolkendecke hinauf. Mit ein bisschen Glück schaffe ich es vielleicht bis zum Salsa-Club, ohne völlig durchnässt zu werden.
    Ich schaffe es nicht. An der Abzweigung zur Susannenstraße kommen die ersten Windböen auf. Und kurz darauf fällt das Wasser wie aus Kübeln gegossen vom Himmel. Als ich im Cucaracha einlaufe, bin ich von Kopf bis Fuß tropfnass.
    Mein Tanzpartner, Miguel Lopez, der hinter dem Tresen steht und Bananen auf einem großen Holzbrett zu gigantischen Pyramiden aufschichtet, mustert mich aus schmalen Augen. »Hola, Pia«, sagt er. »Was hast du gemacht? Dancing in the rain?«
    »Nein«, sage ich. »Es war eher running in the rain.«
    Leise fluchend schäle ich mich aus meinem feuchten Mantel und ziehe meine Schuhe aus, die so nass sind, dass sie an meinen Füßen kleben.
    Ich sehe mich um. »Ist Isabel schon da?«
    Miguel schüttelt den Kopf.
    »Ist ja nicht gerade typisch für sie, dass sie zu spät kommt.«
    »But for you«, antwortet er und sieht demonstrativ auf seine Uhr.
    »Zehn Minuten«, erwidere ich. »Was sind schon zehn Minuten. Du als Kubaner solltest eine etwas großzügigere Einstellung zur Zeit haben.«
    »Alles Vorurteile«, sagt er grinsend und kommt hinter dem Tresen hervor. »Need a towel?«
    Ich nicke, angele mir eine von den Früchten, die eigentlich als Verpflegung für die Schüler der nachfolgenden Tanzkurse gedacht sind, und beobachte Miguel, der in einem Seitenraum des Clubs verschwindet. Die Tanztrainer im Cucaracha sprechen normalerweise Spanisch und Englisch. Gott sei Dank gehört Miguel zu den wenigen, die auch ein bisschen Deutsch können. Was die Verständigung beim Unterricht ungemein erleichtert.
    Während ich die Banane esse, muss ich wieder an unser erstes Zusammentreffen denken. Das war vor zwei Jahren. Bei einem Salsa-Crashkurs für Anfänger. Da stand Miguel plötzlich vor mir, in viel zu weiten, auf den Hüften sitzenden Hosen, einem kurzärmeligen, engen T-Shirt und einer Wollmütze auf dem schwarzen Haar. Ich fand ihn zu klein. Und zu schmal. Ständig hatte ich Angst, ich könne ihn zerbrechen, sollte ich ihn zu fest anfassen. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass er härter und zäher ist, als er aussieht. Und dass er nicht umsonst im Ruf steht, der beste Tänzer im Club zu sein. In allen Kursen prügeln sich die Mädchen um ihn. Was auch der Grund ist, warum ich ihn mir als Tanzpartner für meinen
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