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Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me

Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me

Titel: Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
Autoren: Michael Robotham
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kleines Stück nach vorn, als wolle sie sich ergeben. Einen Moment lang glaube ich, dass er sie wirklich küsst, doch dann löst er sich abrupt aus ihrer Berührung. Erin sieht aus wie ein enttäuschtes Kind.
    »Okay, das war’s für heute«, sagt Mr. Ellis. »Am Freitagnachmittag haben wir noch eine Probe und am nächsten Mittwoch dann die Generalprobe mit Kostümen. Dass mir niemand zu spät kommt.«
    Er wirft Sienna einen demonstrativen Blick zu. »Und ich erwarte, dass alles perfekt ist.«
    Die Darsteller schlendern von der Bühne, die Mitglieder der Band packen ihre Instrumente ein. Ich stoße einen Notausgang auf und gehe zurück zum Haupteingang der Aula, wo schon
ein Dutzend Eltern warten, einige mit jüngeren Kindern, die ihre Hand halten oder auf der Wiese Fangen spielen.
    »Professor O’Loughlin?«, fragt eine weibliche Stimme hinter mir.
    Ich drehe mich um. Die Frau lächelt. Ich brauche einen Moment, bis mir ihr Name wieder einfällt. Annie Robinson, die Beratungslehrerin.
    »Nennen Sie mich einfach Joe.«
    »Wir haben Sie eine Weile nicht gesehen.«
    »Stimmt. Ich nehme an, das meiste hier erledigt meine Frau.« Ich weise vage auf die Gebäude der Schule oder vielleicht auch auf mein Leben als Ganzes.
    Miss Robinson sieht verändert aus. Ihre Kleidung ist enger, ihr Rock kürzer. Normalerweise wirkt sie immer so schüchtern und abwesend, aber heute ist sie forscher und steht so dicht vor mir, als ob sie mir ein Geheimnis anvertrauen wollte. Sie trägt Schuhe mit hohen Absätzen, sodass ihre feucht glänzenden, braunen Augen etwa in Höhe meiner Lippen sind.
    »Muss schwierig sein – die Trennung.«
    Ich räuspere mich und murmele zustimmend.
    Ihre blendend weißen Zähne blitzen zwischen ihren rot angemalten Lippen auf.
    Sie senkt ihre Stimme zu einem Flüstern. »Wenn Sie mal jemanden zum Reden brauchen… ich weiß, wie das ist.« Sie lächelt und legt ihre Hand auf meine. Mir ist das zutiefst peinlich.
    »Das ist sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.«
    Ich schaffe ein höfliches Lächeln. Ich hoffe zumindest, dass ich lächele. Das ist eines der Probleme mit meinem »Zustand«. Ich weiß nie genau, welches Gesicht ich der Welt zeige – das freundliche O’Loughlin-Lächeln oder die hohle Parkinson-Maske.
    »War jedenfalls schön, Sie wiederzusehen«, sagt Miss Robinson.

    »Fand ich auch. Sie sehen …«
    »Was?«
    » … gut aus.«
    Sie strahlt. »Ich nehme das mal als Kompliment.«
    Dann beugt sie sich vor, drückt mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und zieht ihre Hand weg. Sie hat mir einen kleinen Zettel in die Hand gedrückt, ihre Telefonnummer. Im selben Moment entdecke ich Charlie im Schatten des Bühneneingangs, ihre Schultasche über der rechten Schulter. Ihr dunkles Haar ist noch immer zusammengebunden, und sie hat Reste von Theaterschminke um die Augen.
    »Hast du eine Lehrerin geküsst?«
    »Nein.«
    »Ich hab dich gesehen.«
    »Sie hat mich geküsst …«
    »So sah das von da, wo ich stand, aber nicht aus.«
    »Es war ein harmloses Küsschen.«
    »Auf den Mund.«
    »Sie wollte nur nett sein.«
    Charlie ist nicht glücklich über meine Antwort. Sie ist nicht glücklich mit vielem, was ich dieser Tage tue und sage. Wenn ich eine Frage stelle, verhöre ich sie. Wenn ich eine Bemerkung mache, bin ich ablehnend und voreingenommen. Meine Kommentare sind Kritik, unsere Gespräche »Streit«.
    Menschliches Verhalten ist angeblich mein Fachgebiet, aber wenn es darum geht, meine älteste Tochter zu verstehen, scheine ich einen blinden Fleck zu haben, zumal sie nicht unbedingt immer sagt, was sie meint. Wenn Charlie zum Beispiel äußert, dass ich mir nicht die Mühe machen solle, irgendwohin zu kommen, will sie in Wahrheit, dass ich dort bin. Und wenn sie fragt »Kommst du«, heißt das: »Wehe, du bist nicht da!«
    Ich nehme ihr die Schultasche ab. »Das Musical ist toll. Du warst fantastisch.«
    »Hast du dich in die Probe geschlichen?«

    »Nur für die zweite Hälfte.«
    »Jetzt kommst du bestimmt nicht mehr zur Premiere. Du weißt ja schon, wie es ausgeht.«
    »Es ist ein Musical – jeder weiß, wie es ausgeht.«
    Charlie zieht einen Schmollmund und sieht sich mit verächtlich wippendem Pferdeschwanz um.
    »Können wir Sienna nach Hause fahren?«, fragt sie.
    »Klar. Wo ist sie?«
    »Mr. Ellis wollte sie noch sprechen.«
    »Hat sie Ärger?«
    Charlie verdreht die Augen. »Sie hat ständig Ärger.«
    Am Fuß eines sanft abfallenden Hügels sehe ich Autolichter, die sich vom Parkplatz in
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