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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt
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plötzlich eine kleine Lücke zwischen zwei Fahrzeugen auf. Tom gab Gas, riss das Lenkrad herum und raste mit quietschenden Reifen auf den Vorplatz der Bankfiliale.
    Ein anderer Kunde, der die Geschäftsstelle gerade verließ, schüttelte verständnislos seinen Kopf. Doch Tom schenkte ihm keine Beachtung. Mit seinen Unterlagen unterm Arm eilte er in die Bank.
    Vor dem Schalter stand ein älterer Mann und fuchtelte wild mit den Armen. Er trug eine blaue Arbeitshose und dazu eine dunkelbraune Cordweste, die mit Schaffell gefüttert war, welches am Kragen und an den Ärmelausschnitten hervorlugte.
    »Ich lasse mich nicht verarschen! Ich will sofort den Chef sprechen!«
    »Herr Jepsen, bitte beruhigen Sie sich«, versuchte die blonde Dame hinter dem Tresen, den aufgebrachten Klienten mit leiser Stimme zu besänftigen. Die Anspannung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ihre Wangen glühten förmlich und kleine rote Flecken übersäten ihren Hals bis hinab zu einem dezenten Dekolleté. Anscheinend hatte der Kunde seinen Ärger bereits eine ganze Weile lautstark kundgetan.
    »Ich will mich aber nicht beruhigen!«
    Tom hatte Mitleid mit der Bankangestellten. Er kannte Frau Neubert. Immer freundlich, zuvorkommend und vor allem kompetent. Das war in der Branche nicht unbedingt selbstverständlich. Viele Banken beschäftigten mittlerweile Quereinsteiger, denen allzu oft ein fundiertes Wissen über grundlegende finanztechnische Abläufe und Zusammenhänge fehlte.
    »Wenn Sie die Papiere jetzt verkaufen, dann realisieren Sie den Verlust.«
    »Und wenn ich sie nicht verkaufe, habe ich bald gar kein Geld mehr! Oder was meinen Sie?« Herr Jepsen hatte sich umgedreht und wandte sich nun an Tom, in dem er anscheinend einen Verbündeten sah. »Ihnen hat man wahrscheinlich auch diese ganzen Aktien aufgeschnackt, nicht wahr?«
    Tom drückte automatisch seine Unterlagen fester an sich. Er hatte gleichfalls Verluste erlitten, war sich aber der Gefahr, die solch eine Anlage mit sich brachte, bewusst gewesen und bewertete die Lage demzufolge etwas anders.
    »Na ja«, versuchte er, die Vorwürfe des anderen abzuschwächen. »Sie sind sicherlich über die Risiken aufgeklärt worden, oder? Das ist ja gesetzlich vorgeschrieben!«
    »Pah, aufgeklärt«, schnaubte der Mann. Als todsicheren Tipp habe der feine Herr Bankberater ihm diese Papiere verkauft. Es könne gar nichts schiefgehen.
    »Und nun? Schauen Sie sich das an!« Er wedelte mit einem Auszug vor Toms Gesicht herum.
    »Herr Jepsen«, Frau Neubert appellierte erneut an sein Verständnis. Die ganze Situation war ihr mehr als unangenehm, zumal nun andere Kunden mit hineingezogen wurden.
    »Nichts mehr wert. Alles Geld weg!«
    Im Grunde genommen hat er sogar recht, dachte Tom. Auch wenn der Verlust zunächst nur auf dem Papier bestand. Bei einigen Aktien konnte man davon ausgehen, seinen Einsatz wahrscheinlich nicht wiederzubekommen. Bei vielen Neuemissionen der letzten Jahre handelte es sich um sogenannte Start-up-Unternehmen, die nun aufgrund der Krise und der daraus resultierenden Massenflucht der Anleger in Schwierigkeiten waren. Gekürzte Kreditlinien und fehlende Investoren ließen das Kapital dieser Firmen schnell schrumpfen und viele von ihnen standen bereits kurz vor dem Ruin.
    Dennoch war Tom der Meinung, dass viele Anleger an der jetzigen Situation in gewisser Weise mitschuldig waren. Ihre Gier – und davon sprach er sich selbst nicht ganz frei – hatte die Aktienwerte in die Höhe schnellen lassen. Ihre Angst und vor allem die Unerfahrenheit in diesem Metier sorgten nun für den freien Fall der Kurse und trieben viele Firmen in die Pleite.
    Wer in Wertpapiere investierte, sollte seiner Ansicht nach über ein gewisses Grundverständnis dieser Anlageform verfügen. Und ein guter Bankberater klärte seine Kunden dementsprechend auf. Laut Herrn Jepsen war dies allerdings nicht der Fall gewesen.
    »Genauso wenig wie jetzt«, krakeelte er, »wo ist denn der Herr Lorenzen und erklärt mir, wo mein Geld geblieben ist, hm?« Er blitzte Frau Neubert wütend an. Die wirkte zunehmend hilfloser.
    »Der Kollege ist momentan nicht im Haus«, flüsterte sie beinahe.
    »Ach so«, entfuhr es Tom. Eigentlich hatte er ja einen Termin bei dem Kundenbetreuer machen wollen.
    »Sehen Sie«, Herr Jepsen fühlte sich bestätigt, »aus dem Staub hat der sich gemacht! Alles Verbrecher! Besser, Sie suchen sich gleich einen Anwalt. Ich werde das jedenfalls tun. Schönen Tag noch.«
    Er drehte sich um und
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