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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt
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bis nach Nordstrand und dann noch mit der Fähre auf die Insel. Eventuell würde er sogar übernachten müssen.
    Er griff zum Telefonhörer.
    »Ich kläre nur schnell ab, wie ich die Lütten untergebracht bekomme.«
    Sein Vorgesetzter nickte und stand auf.
    »Wenn ich mich gleich auf den Weg mache, schaffe ich es vielleicht heute wieder zurück«, murmelte Thamsen vor sich hin und überlegte, was er alles für den Notfall mitnehmen musste. Zahnbürste, Rasierzeug, Socken, Unterhose, Pullover.
    Schlagartig fiel ihm dabei ein, dass er den eigentlichen Grund seiner Dienstreise gar nicht kannte.
    »Warte mal«, rief er seinem Chef hinterher, der gerade das Büro verlassen hatte. Er sprang auf und holte ihn im Flur ein. »Was ist überhaupt los auf Pellworm?«
    Rudolf Lange blieb stehen und räusperte sich. »Die haben im Watt eine Leiche gefunden. Anscheinend jemand von hier.«
    Thamsen blickte seinen Vorgesetzten erstaunt an. Ein Toter auf Pellworm? Aus Niebüll?
    »Wer soll das sein?«

     
    *
    Tom Meissner stellte den Motor seines Wagens ab und beobachtete durch die Windschutzscheibe die rot-weißen Schranken vor ihm.
    Na, das hast du ja wieder gut abgepasst, ärgerte er sich und starrte ungeduldig auf seine Uhr.
    Es war kurz vor vier. In wenigen Minuten würde die Filiale seiner Hausbank, die direkt auf der anderen Seite des Bahnübergangs lag, schließen.
    Nach dem Mittagessen hatte er sich daran gemacht, seine Depotunterlagen zu sortieren. Dabei waren ihm fehlende Auszüge aufgefallen, ohne die es unmöglich war, die Entwicklung seiner Wertpapiere nachzuvollziehen. Tom war in solchen Dingen äußerst penibel. Immerhin gehörte es zu seinem Job, gewisse Vorgänge zu rekonstruieren und zu analysieren. Er wollte als Unternehmensberater nicht wie ein Laie vor seinem Bankberater stehen und daher möglichst viele Informationen schon einmal selbst herausarbeiten, bevor er die Dienste eines professionellen Kundenberaters in Anspruch nahm. In dieser Hinsicht war er sehr eigen. Es war ihm wichtig, zumindest einigermaßen kompetent aufzutreten, wenngleich Wertpapierbewertungen nicht gerade sein Spezialgebiet waren.
    Er hatte die Nummer des Kreditinstitutes gewählt und gebeten, die fehlenden Unterlagen für ihn bereitzuhalten. »Ich hole sie heute Nachmittag ab«, hatte er angekündigt. Bei der Gelegenheit konnte er auch gleich einen persönlichen Termin vereinbaren.
    Nun hatte er irgendwie die Zeit vergessen. Ein Telefonat mit einem ehemaligen Kollegen hatte länger gedauert als geplant, und da dieser ihn um eine kurze Einschätzung zu dem Fall einer Softwarefirma bat und Tom jemand war, der nichts gern auf die lange Bank schob, hatte er sich gleich daran gesetzt, die per Mail übermittelten Unterlagen durchzusehen. Erschrocken war er aufgesprungen, als er feststellte, dass es bereits 15.40 Uhr war.
    »Ich fahre eben zur Bank«, hatte er Marlene von der Haustür aus zugerufen und sich eilig auf den Weg gemacht.
    Die kleine Filiale lag nicht weit entfernt, nur wenige Minuten die Dorfstraße entlang, aber die geschlossene Bahnschranke brachte ihn richtig in Zeitdruck. Er verstand diese übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen ohnehin nicht. Musste denn in Risum-Lindholm schon der Bahnübergang verrammelt werden, nur weil in Westerland ein Zug losfuhr?
    Natürlich entsprach sein Empfinden nicht der Realität. Trotzdem erweckten die gesenkten Schranken oftmals den Eindruck in ihm, ein Zug müsse in dieser ihm endlos erscheinenden Wartezeit mindestens die Strecke zwischen Westerland und Risum zurückgelegt haben.
    Endlich zuckelte die Bahn vorbei. Er startete den Motor und trat leicht auf das Gaspedal. Doch die Straßenbarrikade rührte sich nicht. Er stöhnte laut auf. »Nun kommt auch noch einer aus der Gegenrichtung«, schnaubte er gereizt und schlug mit den Händen aufs Lenkrad. Jetzt erschien allerdings relativ schnell eine Diesellok, die zügig den Übergang passierte und gleich darauf hoben sich die Schlagbäume. Kaum war jedoch das Hindernis endlich überwunden, tat sich das nächste auf. Durch die heruntergelassenen Schranken hatte sich auf der Dorfstraße eine lange Schlange wartender Autos gebildet, die er als Linksabbieger alle im Gegenverkehr passieren lassen musste.
    »Mensch!«, fluchte er, »da kann doch mal einer anhalten und mich schnell durchlassen.« Aber die Fahrer der entgegenkommenden Wagen hatten es anscheinend alle selbst eilig und fuhren einer nach dem anderen an ihm vorbei. Unverhofft tat sich jedoch
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