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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt
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Haare klebten ihm wirr am Kopf und rasiert hatte er sich auch nicht. Aus rot geränderten Augen sah er ihn an.
    »Was ist denn mit dir los?«
    »Magen-Darm-Grippe«, stöhnte Haie und schleppte sich zum Sofa. Mühsam ließ er sich darauf sinken. »Geht aber schon wieder.«
    »Sieht mir aber nicht danach aus«, urteilte Tom und setzte sich in einigem Abstand auf einen der Sessel. »Warum hast du denn nicht angerufen? Warst du beim Arzt?«
    »Ursel hat mich gefahren.«
    Tom verspürte plötzlich einen Stich in der Brustgegend. So sehr er sich über Haies Bekanntschaft freute, es gab nun jemanden, mit dem er ihn teilen musste. Ein ungewohntes Gefühl.
    »Aber wir hätten dich doch gefahren!«
    »Und euch angesteckt. Ursel hat das Ganze längst hinter sich. Geht momentan um. Das halbe Dorf liegt wahrscheinlich flach. Habt ihr das denn nicht mitgekriegt?«
    Tom schüttelte den Kopf. Anscheinend waren sie in der letzten Zeit zu sehr mit sich selbst und der bevorstehenden Hochzeit beschäftigt gewesen. Aber die grassierende Grippewelle erklärte eventuell, warum sein Bankberater nicht zur Verfügung stand.
    »Na, den wird’s wohl ebenso erwischt haben«, mutmaßte Tom. »Und ich hatte schon Befürchtungen, er könne sich tatsächlich aus dem Staub gemacht haben.«
    »Wieso das denn?«
    Tom erzählte von seinem Besuch in der Bankfiliale und dem aufgebrachten Herrn Jepsen. »Frau Neubert meinte, momentan beschweren sich einige Anleger.«
    »Na ja«, warf Haie ein, »ist ja verständlich. Mein Nachbar hat auch was bei dem abgeschlossen. Und nu ist alles futsch! Also ich an Lorenzens Stelle könnte nicht mehr ruhig schlafen.«
    »Ja, aber da ist der doch nicht dran schuld!«
    »Is’ ja auch egal.« Haie schlug mit seiner Hand in die Luft.
    Tom sah ihm an, wie sehr ihn die Diskussion anstrengte. »Ach, wahrscheinlich waren alle mal wieder viel zu gierig«, versuchte er daher das Gespräch zu beenden. »Was will man überhaupt mit so viel Geld?«
    Haie, der in Bezug zu solch profanen menschlichen Beweggründen stets eine Erzählung aus vergangenen Zeiten parat hatte, griff sofort das Thema auf und berichtete von einer Sage über das Schatzgraben, die er vor Kurzem in einem alten Buch über Nordfriesland gelesen hatte. Demnach ging einst ein Mann mitten in der Nacht zu einem Hügel, um dort nach Gold zu graben. »Und er fand tatsächlich einen wirklich großen Schatz.«
    Er deutete die vermeintlich unglaublichen Ausmaße des Fundes durch weites Ausholen seiner Arme an.
    »Aber als er ihn nach Hause gebracht hatte, bestand er nur noch aus rostigem Eisen. Der Mann konnte seit dieser Zeit nicht mehr als neun Stunden pro Nacht schlafen.«
    Tom, der ansonsten an solchen Überlieferungen großen Gefallen fand, konnte diesmal der Geschichte allerdings nichts abgewinnen. »Na und? Neun Stunden Schlaf, das reicht doch!«

4. Kapitel
    Dirk Thamsen hatte seine Mutter angerufen und sie gebeten, Anne vom Hort abzuholen.
    »Ich beeile mich«, hatte er versichert, als er glaubte, ihrer Stimme einen ängstlichen Unterton zu entnehmen. Wahrscheinlich befürchtete sie wieder eine stundenlange Standpauke ihres Mannes, der sich ausufernd über ihre Gutmütigkeit mokieren und ihr unmissverständlich zu verstehen geben würde, wie sehr sie sich in seinen Augen ausnutzen ließ.
    »Mit etwas Glück bin ich heute Abend wieder da.«
    Er hatte die B 5 in Hattstedt verlassen und fuhr nun Richtung Wobbenbüll. Es lag bereits eine Weile zurück, seit er das letze Mal auf Pellworm gewesen war. Timo war erst drei und Anne noch nicht geboren. Iris und er hatten ein paar Tage auf der Insel verbracht, um dem Alltag zu entfliehen. Einen größeren Urlaub hatten sie sich nicht leisten können, denn durch den Kauf des Hauses waren all ihre finanziellen Reserven erschöpft gewesen. Doch die Ferien auf Pellworm waren traumhaft. Sie bewohnten ein gemütliches Apartment, das Meer war nur wenige Meter entfernt. Einen Bollerwagen hinter sich herziehend hatten sie die Insel erkundet und ihr Familiendasein in vollen Zügen genossen. In dieser Zeit war auch Anne gezeugt worden – jedenfalls bildete er sich das ein. Immerhin hatten sie täglich miteinander geschlafen und kurz darauf war Iris erneut schwanger gewesen.
    Er seufzte leise auf. Wie glücklich sie gewesen waren – aber das schien alles so lange her zu sein.
    In Wobbenbüll bog er rechts zur Halbinsel Nordstrand ab.
    Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel. Er setzte seine Sonnenbrille auf.
    Die
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