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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse
Autoren: Alexandra Grote
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sie sich. »Ich packe jetzt ein paar Sachen zusammen.«
    LaBréa nickte. »Tun Sie das, Madame. Und nehmen Sie sich ruhig Zeit. Es ist keine Eile geboten.«
    Die Ärztin ging über den Flur ins Schlafzimmer. Claudine begleitete sie und schloss die Tür.
    LaBréa sah sich im Raum um. Auf dem Flügel lagen allerlei Notenhefte. Er las die Namen auf den Titelseiten: Beethoven, Schubert, Chopin. Im Bücherregal entdeckte er medizinische Fachbücher in französischer
Sprache. Aber auch Romane, Gedichtbände. Hélène Clément, alias Elena Droganic, war ganz offensichtlich eine gebildete Frau.
    Als er eine Schublade in der alten Biedermeierkommode öffnete, entdeckte er einen Stapel handgeschriebener Heftseiten. Er blätterte sie rasch durch, überflog einige Zeilen und fragte sich erstaunt, wie er den Inhalt deuten sollte? War das Dr. Cléments Handschrift? Wenn ja, wieso schrieb sie auf Französisch und nicht in ihrer bosnischen Muttersprache?
    Er hatte sich ohnehin schon gewundert, dass Dr. Clément ein Französisch sprach, das nicht den geringsten Akzent aufwies. Wie war das möglich? Er ärgerte sich jetzt, dass er versäumt hatte, Christine Payan danach zu fragen. Normalerweise sprachen Menschen aus dem osteuropäischen Raum auch noch nach Jahrzehnten mit hartem Akzent, selbst wenn sie eine nichtslawische Sprache perfekt in Schrift und Sprache beherrschten.
     
    Claudine und Hélène Clément kehrten ins Wohnzimmer zurück. Rasch schob LaBréa die Schublade zu. Die Ärztin hielt eine Reisetasche in der Hand.
    »Wir können gehen, Commissaire.« Sie blickte sich im Raum um, wie um Abschied zu nehmen.
    »Etwas interessiert mich brennend«, sagte LaBréa, »wieso sprechen Sie so gut Französisch? Ich wäre nie darauf gekommen, dass das nicht Ihre Muttersprache ist.«

    »Es ist meine Muttersprache. Hat meine Schwägerin Ihnen das nicht erzählt? Mein Vater hat seinerzeit meine Mutter in Frankreich kennengelernt, als er anlässlich eines Ärztekongresses hier in Paris war. Meine Mutter war damals blutjung. Sie folgte ihm nach Bosnien, studierte in Sarajewo, und die beiden ließen sich in Vaters Heimatstadt Foča nieder.«
    »Dann sind Sie also zweisprachig aufgewachsen«, stellte Claudine fest.
    »Ja. Und von daher lag es nahe, dass ich nach Ende des Krieges in das Heimatland meiner Mutter übersiedelte.«
    Sie standen im Flur.
    »Fahren Sie mit Dr. Clément in mein Büro, Claudine«, sagte LaBréa. »Ich komme gleich nach.«
    Fünf Minuten später hatte er einen entsprechend großen Umschlag gefunden und die handgeschriebenen Seiten darin verstaut, um sie mitzunehmen.
    Bevor er zum Wagen ging, wollte er noch etwas erledigen. Mit raschen Schritten ging er in den dritten Stock, wo Jocelyn Borels Wohnung lag. Sie war überrascht, ihn zu sehen, und bat ihn herein. Doch LaBréa winkte ab.
    »Leider bin ich in Eile, Jocelyn. Ich habe gerade im ersten Stock eine Festnahme vorgenommen.«
    »Ach ja?«, erwiderte Jocelyn erstaunt. »Dort wohnt doch nur die Ärztin?!«
    »Wie gut kennst du sie?«

    »Wie man sich unter Nachbarn so kennt. Wir haben uns ein paarmal getroffen, sind auch mal zusammen ins Kino gegangen. Aber Dr. Clément lebt eigentlich sehr zurückgezogen. Willst du nicht doch einen Moment hereinkommen?«
    LaBréa zögerte, dann sagte er: »Na gut, aber nur zwei Minuten.«
    »Weswegen hast du sie denn um Gottes willen verhaftet?«
    »Das kann ich dir leider nicht sagen. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.«
    »Sie hat immer so wunderbar Klavier gespielt.« Jocelyn schüttelte ungläubig den Kopf.
    LaBréa wandte sich zum Gehen. Er würde Jocelyn weder heute noch zu einem anderen Zeitpunkt etwas von Hélènes Vergangenheit erzählen, nicht von ihrem Alter Ego Elena Droganic, nicht von den Vorgängen in Foča. Es würde ohnehin in den nächsten Tagen in der Presse breitgetreten werden.
    Der Moment war gekommen. Jocelyns Blick ruhte auf ihm. LaBréa wusste, dass er jetzt reinen Tisch machen musste.
    »Hör zu, Jocelyn, was ich dir noch sagen wollte …«
    Schnell legte Jocelyn ihre Hand auf LaBréas Mund.
    »Scht!«, flüsterte sie. »Ich weiß, was du sagen willst. Behalt es lieber für dich. Du musst mir nichts erklären, ich habe verstanden. Lass mich dir nur eines sagen: Es war schön letzte Nacht. Ich hab es als ein kostbares Geschenk empfunden, Maurice, und dafür
danke ich dir. Du schuldest mir nichts. Wir beide sind frei und uns gegenseitig zu nichts verpflichtet. Ich möchte, dass du das weißt.«
    Er
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