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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Quetschungen und blaue Flecken, außerdem war sie mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden. Kurz vor ihrem Tod hatte sie Geschlechtsverkehr gehabt, und in Anbetracht ihres Zustands hatte es sich höchstwahrscheinlich um eine Vergewaltigung gehandelt.

Fünf
    Sigurður Óli und Þorkell gelang es an diesem Sonntag, ein paar von den Mädchen aufzutreiben, die bei der Polizei als Prostituierte registriert waren. Alle waren irgendwann einmal wegen Prostitution und Einbruchsdiebstählen mit der Polizei in Berührung gekommen. Sie waren nicht schwer aufzutreiben. Sie unterließen es jedoch, Eva Lind Erlendardóttir, die Tochter ihres Kollegen, mit ins Dezernat zu nehmen. Erlendur machte sich selber auf den Weg und fand heraus, wo sie sich aufhielt. Den Namen der Tochter hatte die Mutter bestimmt, weil sie ihn hübsch fand. Sein Sohn hieß Sindri Snær.
    Erlendur wusste, dass Eva Lind seit einiger Zeit mit einem dubiosen Typen zusammen war, der auf großem Fuß lebte. Aufgrund irgendwelcher Leasing-Verträge konnte er sich allen möglichen Luxus leisten. Die beiden lebten in einem Reihenhaus, das er einem älteren Ehepaar abgeluchst hatte, das sich eine kleinere Wohnung zulegen wollte. Er hatte ein begnadetes Verkaufstalent und stellte sich den alten Leuten gepflegt in einem eleganten Anzug vor, den er noch nicht bezahlt hatte. Irgendwie brachte er sie dazu, aus dem Haus auszuziehen, und er zog ein, ohne auch nur eine müde Krone auf den Tisch gelegt zu haben. Er hatte als erste Zahlung eine große Summe in Aussicht gestellt und eine weitere zwei Monate später, und das, was er ihnen für das Haus bot, überstieg den Preis, auf den es geschätzt worden war. Die Eheleute hatten Vertrauen zu diesem sympathischen jungen Mann, der behauptete, Arzt zu sein; sie lagerten Mobiliar und Hausrat provisorisch ein und zogen zu ihrer einzigen Tochter, während der elegante junge Mann sich gemütlich mit Möbeln einrichtete, die er in einem Möbelgeschäft leaste.
    So kam es, dass Eva Lind zurzeit in einigem Luxus lebte, der in krassem Gegensatz zu den Umständen stand, unter denen sie noch vor einigen Monaten gehaust hatte, wie Erlendur wusste. Bevor sie diesen Mr. Business kennenlernte. Damals hatte sie sich bei einem Junkie in einer Bruchbude in Reykjavíks altem Stadtteil Skuggahverfi einquartiert. In den vier oder fünf Jahren, die sie dazu benötigte, sich einen festen Platz in der Gosse zu sichern, hatten Erlendurs Reaktionen auf den Zustand seiner Tochter die ganze Skala von Ablehnung über Wut und Entsetzen und rigorose Aktionen bis hin zu Gleichgültigkeit durchlaufen. Er begriff nicht, weshalb sie es nicht schaffte, von den Drogen loszukommen, aber er hatte aufgehört, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er nahm sie, wie sie war, und versuchte nur, ihr das Leben zu erleichtern, wenn sich ihm die Möglichkeit dazu bot. Früher hatte er sie manchmal von irgendeinem Polizeirevier abgeholt und mit zu sich nach Hause genommen, wenn sie mal wieder völlig zugedröhnt aufgegabelt worden war, hatte dafür gesorgt, dass sie keinen Nachschub bekam, und auf sie aufgepasst. Über kurz oder lang war sie aber immer wieder im gleichen Sumpf gelandet. Beim nächsten Mal war dann ihr Zustand meist doppelt so schlimm wie vorher. Oft genug litt er Höllenqualen wegen seiner Tochter.
    »Es könnte sein, dass ein Mädchen, das wir heute Nacht ermordet auf dem Friedhof gefunden haben, auf den Strich gegangen ist«, erklärte er, als er auf dem Sofa im Wohnzimmer Platz genommen hatte. Dem neuen Mann in Evas Leben, den er noch nicht kannte, stand er genauso skeptisch gegenüber wie all ihren anderen Männern. Er war nicht zu Hause, hatte sie gesagt, er sei los, um einen Fernseher zu kaufen.
    »Aber es ist doch Sonntag, wo ist denn da offen?«, fragte Erlendur.
    »Bist du wirklich so blöd, dass du glaubst, er würde das Ding im Geschäft kaufen?«, rief Eva Lind entgeistert und ließ sich in ein funkelnagelneues Chesterfield-Sofa fallen. Erlendur stellte fest, dass die Wände völlig kahl waren. In dem geräumigen Wohnzimmer befand sich nichts außer sündhaft teuren Möbeln, die zum größten Teil noch in der Plastikhülle steckten.
    Eva Lind sah man die ausschweifende Lebensweise an, sie sah verlebt aus und hatte Ringe unter den Augen, die sie wegzuschminken versuchte. Sie war bis auf die Knochen abgemagert. Vielleicht war sie auf einem Trip, dachte Erlendur, der nur ganz selten seine wahre Tochter zu Gesicht bekam. Ihre Augen waren irgendwie
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