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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Ich wollte mich irgendwie an Herbert und Kalmann rächen. Es ging mir darum, dass jemand für das büßte, was ich Birta angetan habe. Findest du das nicht merkwürdig?«
    »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Meine Tochter … Nein, lassen wir das lieber.«
    Sie standen immer noch reglos in der Abenddämmerung.
    »Hast du Birta geliebt?«
    »Ich glaube, ja. Ich weiß nicht, was es war. Ich habe versucht, ihr zu helfen, aber es war hoffnungslos. Ich habe alles getan, was ich konnte, aber nichts hat getaugt. Und auf einmal hatte sie angefangen, sich mittels ihrer Krankheit zu rächen. Sie war überhaupt nicht mehr sie selbst. Aber das war vielleicht nicht der Hauptgrund. Birta hatte nicht mehr lange zu leben. Ich sah keine andere Lösung. Ich wollte ihren Leiden ein Ende machen.«
    »Was wirst du jetzt machen?«, fragte Erlendur nach einigem Schweigen.
    »Das hängt davon ab. Wahrscheinlich werde ich zum Schluss wieder in den Westfjorden landen, in Reykjavík habe ich nichts verloren. Mit dieser Stadt verbindet mich nichts. Wirst du jetzt irgendetwas in die Wege leiten?«
    »Ich bin nicht mehr mit dem Fall befasst.«
    »Aber sie wissen, dass ich Birta hierhin gebracht habe.«
    »Du solltest Sigurður Óli deine Geschichte erzählen.«
    »Manchmal glaube ich, dass ich durchdrehe. Ich habe sie vergöttert, seit wir Kinder waren, denn sie gab mir alles, was sie besaß. Ich habe versucht, dasselbe für sie zu tun, aber ich glaube, sie hat nur noch sich selbst geliebt, nachdem das Gift die Oberhand gewonnen hatte. Das hat sie ganz oft auch selber gesagt. Es hatte den Anschein, als sei sie sich im Klaren darüber gewesen, wie sie war, aber sie konnte oder wollte nichts daran ändern. Ich kapiere das nicht. Ich begreife sowieso nichts mehr. Begreife nicht diese sinnlose Zerstörung.«
    Sie machten kehrt und gingen wieder zum Auto zurück.
    »Nur noch eins zum Schluss«, sagte Erlendur. »Wie bist du auf die Idee gekommen, Birta auf das Grab von Jón Sigurðsson zu legen? War es wegen der Westfjorde?«
    »Jón Sigurðsson?«
    »Ja.«
    »Jón Sigurðsson?«, wiederholte Janus.
    »Weißt du nicht, wo du sie hingelegt hast?«
    »Ich habe sie auf die Blumen gelegt.«
    »Du hast Birta auf das Grab von Jón Sigurðsson gelegt. Du weißt doch, der Unabhängigkeitskampf und das alles.«
    »Unabhängigkeitskampf? Da war alles voller Blumen, und ich habe sie auf die Blumen gelegt. Wer war Jón Sigurðsson?«
     
    Als sie mit langsamen Schritten den Friedhof verließen, warf Erlendur noch einen Blick zurück auf die Kupfervignette mit Jóns Kopf im Profil und glaubte einen vorwurfsvollen Ausdruck in der Miene des Freiheitshelden zu entdecken. Er zuckte mit den Achseln, und wieder kam sie ihm in den Sinn, diese bohrende Frage:
     
    Wo haben die Tage deines Lebens ihre Farbe verloren?
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