Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
Hausmantel gegenübersaß.
    »Oh doch, er war sich über die Gefahr im Klaren«, erklärte Kalmann. »Das machte es ja umso reizvoller. Er drang selten in sie ein, aber manchmal konnte es dazu kommen.«
    »Was geschah mit Birta?«, fragte Erlendur.
    »Ich weiß nicht, ob irgendwas von dem, was ich hier erzähle, tatsächlich passiert ist, aber so eine Geschichte ist mir zu Ohren gekommen. Das Mädchen, das ihr Birta nennt, wurde vom Ferienhaus am Þingvellir-See mit leichten Blessuren wieder nach Reykjavík zurückverfrachtet, aber lebendig. Der Mann, mit dem sie zusammen war, ging davon aus, dass sie bei einem ihrer Freunde von früher lebte, einem ziemlich schrägen Typen, aber treu wie Gold. Möglicherweise liebte er dieses Mädchen. Wie dem auch sei: Diese Birta war lebendig, als sie den Mann verließ, und mehr als das: Sie wollte zu ihrem Freund, aber erst nachdem sie sich Heroin besorgt hatte. Als Nächstes erfuhr der betreffende Mann, dass sie nicht nur tot war, sondern höchstwahrscheinlich ermordet, und auf das Grab von Jón Sigurðsson gelegt wurde.«
    »Du kannst dir das alberne ›der betreffende Mann‹ sparen«, sagte Sigurður Óli in verächtlichem Ton. »Wir können eine direkte Verbindung zwischen dir, Birta und diesem Herbert Baldursson nachweisen, nach dem wir dich bereits früher befragt haben.«
    Sigurður Óli nahm das Notizbuch zur Hand und schwenkte ihn vor Kalmanns Gesicht.
    »In dieser kleinen Kladde hier finden sich einige hochinteressante Eintragungen«, fuhr er fort. »Hier stehen die Namen der Mädchen, die für Herbert arbeiteten, und hier sind die Namen der Männer, die ihre Dienste in Anspruch nahmen, oder wie würden Männer wie du sich da ausdrücken. Hier stehen auch die genauen Daten und Treffpunkte. Um es kurz zu machen, aus diesen Eintragungen geht hervor, dass du im Zeitraum von drei Jahren zwölf Mal das Mädchen Birta getroffen hast, meistens in deinem Ferienhaus am Þingvellir-See, aber auch hier in dieser Villa. Du hast auch andere Mädchen durch Herbert vermittelt bekommen, die hier nur mit ihren Beinamen vermerkt sind, aber die finden wir schon, auch wenn es einige Zeit in Anspruch nehmen wird.«
    »Herberts kleines Nuttenbuch«, sagte Kalmann und starrte auf den Block in Sigurður Ólis Hand. Einen Augenblick überlegte er, ob er auf stur schalten und behaupten solle, alles, was in dem Buch stehe, sei pure Erfindung eines gewissen Herberts, den er überhaupt nicht kenne, und was auch immer dieser Mann behauptete, alles seien Lügen und Hirngespinste, und dass Herbert sich die Mühe gemacht habe, diese Kladde anzulegen, um damit irgendwelche Einfaltspinsel zu erpressen. Aber dann verspürte er keine Lust dazu. Gönnen wir ihnen doch, dass ich das eingestehe, dachte er.
    »Wahrscheinlich ist das mein einziges wirkliches Laster«, sagte er. »Diese Mädchen, solche wie Birta. Ich hatte ein kleines Faible für sie.«
    »Arschloch«, sagte Erlendur leise und dachte an seine Tochter.
    »Keine Sorge, mit deiner Tochter hatte ich nichts, auch wenn ich gern …«
    Erlendur war aufgestanden.
    »Das macht er doch, um dich zu provozieren«, sagte Sigurður Óli. »Achte nicht darauf.«
    Erlendur rührte sich nicht vom Fleck. Kalmann würdigte ihn keines Blickes. Er schien tief in seine Gedanken versunken zu sein und starrte mit abwesendem Blick vor sich hin.
    »Du hast gesagt, du kennst Herbert nicht«, sagte Erlendur.
    »Von Kennen kann keine Rede sein. Er besorgt mir nur die Mädchen.«
    Kalmann verstummte für eine Weile. Erlendur und Sigurður Óli warfen sich Blicke zu.
    »Da war irgendetwas an Birta, das mich reizte«, erklärte er schließlich. »Ich weiß nicht genau, was es war. Sie war, wie soll man das ausdrücken, ein völlig hoffnungsloser Fall. Sie war dem Rauschgift verfallen, und nichts und niemand konnte sie daran hindern, sich völlig zu zerstören. Sie war ein Junkie par excellence. Darin liegt ein gewisser Triumph. Man sieht nicht so oft einen derartigen Willen zur Selbstzerstörung. Die Menschen um mich herum würden sich gegenseitig umbringen für eine Anerkennung meinerseits, für ein Lob auf einer Besprechung, eine zusätzliche Gratifikation im Dezember, für eine von mir gewährte Beförderung oder dafür, zu meinen Partys eingeladen zu werden. Und das genieße ich, daraus mache ich gar keinen Hehl. Ich genieße es, dieses Aufblitzen in ihren Augen zu sehen, die tragikomische Dankesbezeugung durch einen feuchten Händedruck. Birta hasste mich abgrundtief,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher