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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen
Autoren: Arnaldur Indridason
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aber ich bezahlte sie gut. Sie hat nie die geringste Achtung vor mir gehabt, sondern mir ganz im Gegenteil häufig genug zu verstehen gegeben, was sie von mir hielt, wie unerträglich sie mich fand, wie pervers. Vielleicht hatte sie recht. Meines Erachtens war es eine Art Hassliebe zwischen uns, obwohl ich zugeben muss, dass ich wahrscheinlich mehr davon profitierte als sie.«
    Erlendur und Sigurður Óli sahen ihn an, ohne ein Wort zu sagen.
    »Ich habe sie nicht umgebracht. Ich habe sie manchmal verletzt, aber ich habe sie nicht umgebracht, und deswegen verpisst euch jetzt gefälligst«, sagte Kalmann, der sein normales Selbst wiedergefunden zu haben schien. »Was das andere betrifft, eure komischen Ausführungen über die Westfjorde und die bösen Spekulanten aus Reykjavík, darauf gebe ich nicht viel. Wir haben nur die Entwicklung ein wenig beschleunigt, nichts weiter. Das ist meines Erachtens kein Verbrechen. Wir benötigen all diese kleinen Fischerdörfer rings ums Land nicht mehr. Die Leute mögen ja selber auch nicht mehr da leben.«
    »Die Leute wollen da leben, wo sie und ihre Vorfahren geboren und aufgewachsen sind, wo sie sich auskennen«, sagte Erlendur. »Es geht um viel mehr als nur um Geld. Es geht darum, dass man da sein Auskommen haben kann, wo man leben möchte, ohne dass Geldhaie in Reykjavík sich einmischen. Ohne dass Verschwörungen angezettelt werden, um ganze Landstriche zu entvölkern, damit bei einigen Drahtziehern im Hintergrund die Kassen klingeln. Ohne dass die Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt werden aus der gleichen überheblichen Arroganz heraus, mit der du sagst, dass die Leute keine Lust mehr haben, dort zu leben. Du und deinesgleichen, ihr lasst das einfach nicht zu. Ihr müsst eure Konsumtempel füllen.«
    »Wer hat dich zum Gewissen der Welt gemacht?«, fragte Kalmann.
    »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du bist schlimmer als dieser Idiot Herbert. Er ist bloß ein gewissenloser Ganove, der nicht bis drei zählen kann. Er ist stupide. Die Entschuldigung hast du nicht. Bei dir liegt das ein bisschen anders. Alles, was du tust, ist raffiniert ausgeklügelt, um deine perversen Bedürfnisse nach Unterwerfung, Macht, Reichtum und Unterdrückung zu befriedigen, nach allem, was dein Herz in deinem armseligen Leben schneller schlagen lässt. Du hast Spaß daran, mit Menschen zu spielen, auch wenn du dich dabei auf ein Risiko einlässt. Du hast Spaß daran, zu sehen, welche Angst die anderen vor dir haben und wie sie sich vor Unterwürfigkeit winden und drehen. Du weißt ganz genau, wie du das bewerkstelligen kannst und was dir das bringt. Du kennst die Schwächen der Menschen und weißt genau, hinter was du her bist. Was du Birta angetan hast, hast du auch den Westfjorden angetan. Das hast du ganz genau gewusst, und das war die Befriedigung, die du empfunden hast, wenn du sie geschlagen hast.«

Vierzig
    An diesem Morgen waren die Einwohner im Skuggahverfi nicht wenig erstaunt, Rauch aus dem alten Räucherhaus des Schlachthofs aufsteigen zu sehen, dem einzigen Gebäude des großen Genossenschaftsbetriebs, das noch stehen geblieben war. Sie hatten nichts darüber gehört, dass dort wieder geräuchert werden sollte. Aber denkbar war ja alles, und deswegen schöpften sie angesichts des Rauchs und des vertrauten Geruchs von geräuchertem Lammfleisch, der das ganze Viertel durchzog, keinen Verdacht.
    Mit Ausnahme einer Frau, die im zweiten Stock eines dreigeschossigen Hauses auf dem Veghúsastígur wohnte. Nichts entging ihr, und sie musste sich immer in alles einmischen. Aus ihrem Küchenfenster, das nach Norden zur Skúlagata ging, konnte sie die Inseln auf dem Sund und jenseits davon die Esja, den Hausberg von Reykjavík, sehen. Die Dame sah sehr viel fern, oft bis tief in die Nacht hinein, und stand immer erst gegen Mittag auf. Dann kochte sie sich einen Kaffee, belegte zwei Scheiben Toast mit Käse, setzte sich mit der Zeitung hin und las.
    Während der Kaffee in der neuen Maschine, die ihre Tochter ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, durchlief und der Kaffeeduft durch die Küche zog, freute sie sich, wie schon so oft, an ihrer schönen Aussicht. Dabei bemerkte sie, wie sich der blaue Rauch aus dem hohen Schornstein des Räucherhauses zum Himmel kräuselte, und wunderte sich sehr darüber. Sie hatte zeit ihres Lebens im Skuggahverfi gewohnt, sie beobachtete das Leben und Treiben auf der Straße und wusste ganz genau, dass der Schlachthof das Feld geräumt und seinen Betrieb
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