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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Stone
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klingelte sein Telefon. Bruce Springsteens nervtötend fröhliches »Waitin’ on a Sunny Day« dudelte aus der Tasche, die er an der Hüfte trug. Es war der Klingelton, den er Joe Liston zugewiesen hatte – seinem ehemaligen Partner und dem einzigen schwarzen Springsteen-Fan, dem er bis dato begegnet war.
    Joe rief ihn nie abends an. Für gewöhnlich war er um diese Zeit zu Hause bei seiner Familie.
    Es musste dringend sein, musste etwas Ernstes sein.
    Joe war Captain bei der Mordkommission.
    Max machte sich auf das Schlimmste gefasst.
    Und es kam.
    »Es geht um Eldon«, sagte Joe. »Er wurde vor zwei Tagen im Boxstudio auf der 7th Avenue aufgefunden. Ermordet.«
    Er hätte schockiert sein sollen, war es aber nicht. In dem Moment, als er die Nachricht vernahm, war Max plötzlich mit den Gedanken woanders. Der Mann auf der anderen Straßenseite war nicht mehr da, war spurlos verschwunden, als wäre er nie da gewesen.
    »Vor zwei Tagen?«, fragte Max. »Warum hast du mich nicht sofort angerufen?«
    »Ging nicht. Hier laufen Sachen, über die ich mit dir reden muss. Ich bin jetzt im Studio. Kannst du herkommen?«
    »Bin schon unterwegs.«

    2
    Geschniegelt und gebügelt wie immer, stand Joe Liston vor dem Studio und wartete. Beigefarbener Leinenanzug, weißes Hemd, braune Krawatte und glänzende braune Lederschuhe. Er hatte schon immer großen Wert auf seine Erscheinung gelegt, weil er darin zum Ausdruck gebracht sah, wie ernst er seinen Beruf und die Verantwortung nahm, die damit einherging. Dabei war die Jackett- und Krawattenpflicht für Kriminalpolizisten in Miami schon vor längerer Zeit fallen gelassen worden, nachdem es Beschwerden gegeben hatte, dass tropische Hitze und förmliche Kleidung effizienter Polizeiarbeit nicht gerade förderlich seien. Und so erschienen die meisten Zivilpolizisten zum Dienst, wie sie auch zu einer Grillparty gehen würden: in grellbunten Strandhemden, ausgewaschenen Jeans und alten Turnschuhen. Angesichts dieses Bekleidungsliberalismus war Joe dazu übergegangen, nur noch Drei- statt Zweiteiler zu tragen.
    Er war beeindruckend groß und kräftig gebaut. Das Haar, das ihm noch geblieben war, war grau und kurz geschnitten. Seinem runden Gesicht und dem noch runderen Bauch waren die hervorragenden Kochkünste seiner Frau und die letzten zehn Jahre, die er delegierend hinter dem Schreibtisch verbracht hatte, deutlich anzusehen. Ihn störte das nicht. Er versuchte weder, seine Pfunde zu verstecken, noch abzunehmen. Im Jahr zuvor war er sechzig geworden. In dem Alter, fand er, durfte man sich ein wenig gehen lassen.
    Max parkte in der Nähe und ging zu ihm.
    Die 7th Avenue lag menschenleer und verlassen da.
    »Tut mir leid«, sagte Joe und hielt ihm die Hand hin, um sein Beileid auszudrücken.
    »Danke.« Während der Autofahrt hatte Max über den Mord an Eldon nachdenken wollen, aber seine Gedanken waren immer wieder zu den Ereignissen im Hotel zurückgekehrt. Und zu dem Mann auf der Straße.
    Joe durchschnitt das Siegel an der Tür, und sie gingen hinein.
    Seit fast zehn Jahren hatte Max dieses Studio nicht mehr betreten, damals hatte er Eldon zum letzten Mal gesehen. Er war schockiert über den erbarmungswürdigen Zustand der Halle: der eingeknickte Boxring, das Loch im Dach, der Schutt, der Rost, die Berge von Abfall. Der Ort, der so vielen jungen Leben eine neue Wendung gegeben hatte, war nur noch eine Müllhalde.
    Er hatte gehört, dass das Studio nach Abe Watsons Tod dichtgemacht hatte und dass Eldon noch immer jeden Tag hergekommen und von früh bis spät geblieben war. Als er sich nun umschaute, alles aufnahm und vergeblich versuchte, das Studio aus der Erinnerung wiederaufzubauen, begriff Max, wie ausgebrannt der alte Mann sich gefühlt haben musste. Das Studio war sein ganzer Stolz gewesen, der Grundstein für alles, was er je aufgebaut hatte, und am Ende hatte er nur noch dagesessen und zugesehen, wie alles um ihn herum zusammenbrach. Zum ersten Mal seit Joes Anruf spürte Max einen kleinen Nadelstich halbherziger Trauer. Sie traf ihn unerwartet.
    Achter März 1964: An diesem Tag war Eldon Burns in sein Leben getreten. Hier an der Tür, an der gleichen Stelle, an der er nun stand, hatten sie die ersten Worte gewechselt.
    Max hatte seinen Freund Manny Gomez zum Studio begleitet. Er hatte an jenem Tag nicht den Wunsch gehabt, Boxer zu werden, und auch vorher noch nie. Seine intensivste Begegnung mit dem Boxsport hatte darin bestanden, dass er auf der Ecke Fifth Street einmal
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