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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Stone
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Muhammad Ali, umringt von schwarzen Jugendlichen, beim Autogrammegeben gesehen hatte. Max hatte noch nie einen echten Kampf gesehen, geschweige denn in voller Länge im Fernsehen verfolgt. Boxen interessierte ihn einfach nicht. Er war nur mitgekommen, weil er nichts Besseres zu tun hatte.
    Doch nachdem er hinter Manny das Studio betreten hatte, hatte sich ihm eine völlig neue Welt aufgetan und ihn ganz in sich aufgenommen. Schwarze, Latinos und ein paar Weiße aller Alters- und Gewichtsklassen. Alle aktiv und konzentriert, bei der Sache, fokussiert. Totale Zielstrebigkeit. Träume von Ruhm und Reichtum. Gebrochene Nasen, vernarbte Augenbrauen, Blumenkohlohren. Harte Gesichter, schweißnass. Aufgestaute Hitze. Der Geruch von Schweiß, Blut, Leder und Franzbranntwein. Choreographierte Gewalt. Die Schläge so schnell, dass die Fäuste in der Bewegung nicht mehr zu erkennen waren. Die vielen verschiedenen dumpfen Rhythmen der Fäuste auf den Sandsäcken, das Rasseln der Speedballs, das Pfeifen und Singen von einem Dutzend Springseilen, das Getrappel hüpfender Füße.
    Aus dieser Szenerie heraus war Eldon Burns auf sie zugetreten: die Verkörperung, die Seele des Ganzen. Ein großer Mann in Jogginghose und kurzärmeligem Hemd. Kräftige Arme mit Sommersprossen, große breite Hände, ein vernarbtes, mürrisches Gesicht, fester, aber ungeduldiger Blick, eine runde, rötliche Warze an der Schläfe. »Schlag mir ins Gesicht«, hatte er zu Max gesagt. Und Max hatte Eldon mit einem schnellen rechten Haken zu Boden geschickt. Es war das erste Mal, dass ein Neuling ihn geschlagen, geschweige denn umgehauen hatte. Eldon hatte vom Fußboden aus zu Max hochgeschaut und gelächelt. Alles im Studio war erstarrt, es herrschte vollkommene Stille.
    Genau wie jetzt.
    Die Umrisse von Eldons Leiche waren mit leuchtend weißer Kreide und groben, geraden Linien auf den Fußboden gemalt worden. Wäre da nicht der Halbmond aus schwarz geronnenem Blut gewesen, der wie ein höllischer Heiligenschein den Kopf umgab, hätte die Abbildung in ihrer Einfachheit primitiv wirken können. Aber war nicht Mord tatsächlich die primitivste aller Handlungen, jene Tat, durch die sich der Mensch auf eine Stufe stellte mit seinen höhlenbewohnenden Vorfahren?
    Joe reichte Max einen Stapel Fotos.
    Das erste zeigte Eldons Leiche. Die Arme nach oben gerissen, die Fäuste geballt, die Beine leicht gespreizt: Es war die traurige Parodie der Siegerpose am Ende des Boxkampfs. Auf Eldons Brust hockte eine Ratte, zeigte ihre langen Nagezähne und schaute mit schwarzen Augen in die Kamera.
    »Wir mussten die Kammerjäger rufen. Hier wimmelte es nur so von Ratten«, bemerkte Joe. »Die konnten sich gar nicht schnell genug auf ihn stürzen. Durchaus passend, könnte man meinen.« Max schaute auf zu seinem Freund, sah ihm in die Augen, sah, wie er den Blick senkte.
    Joe hatte Eldon gehasst, und Eldon hatte Joe gehasst. Eldon hatte ihn hinter seinem Rücken nur »diesen Neger« genannt, und Joe hatte Eldon den Spitznamen »Sixdeep« verpasst – kurz für Sixth Degree Burns , Verbrennungen sechsten Grades, die schlimmsten.
    Eldon war ihr Boss bei der Miami Task Force gewesen, einer Eliteeinheit der Polizei, die in den 1970er und 1980er Jahren in Miami aktiv gewesen war, als die Stadt zur Hochburg des Kokainhandels und ihre Einwohner zum Kollateralschaden eines eskalierenden Drogenkrieges rivalisierender Banden geworden waren. Eldon hatte die MTF geführt wie eine paramilitärische Einheit: eine bewaffnete Bande unter vielen, nur dass seine Leute Polizeimarken hatten und die Lizenz zum Töten. Politiker auf Bundesstaatsebene hatten ihn beauftragt, sämtliche Schwerverbrechen mit allen erforderlichen Mitteln aufzuklären – oder es zumindest so aussehen zu lassen. Lieber die Illusion von Sicherheit als gar keine Illusionen mehr.
    »Mach’s passend«, war sein Motto gewesen. Wem die MTF ein bestimmtes Verbrechen anhängte, spielte keine Rolle, solange die vermeintlichen Übeltäter vorbestraft waren und irgendetwas verbrochen hatten. Die MTF verstieß gegen sämtliche Verfahrensvorschriften und alle Gesetze. Auf jedes Verbrechen, das die Truppe tatsächlich aufklärte, kamen zwölf weitere, bei denen irgendwelche Leute hinter Gitter gebracht oder von der MTF erschossen wurden. Und es änderte nichts. Weiterhin starben massenweise Unschuldige, und Miami verwandelte sich in eine milliardenschwere Kloake.
    Irgendwann hatte Joe da nicht mehr mitmachen wollen und sich versetzen
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