Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesriff

Todesriff

Titel: Todesriff
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
Wind sie einfach weggeblasen, bevor sie an sein Ohr dringen konnten. Sie hätte ihn an der Schulter packen und schütteln können, doch sie wagte es nicht. Auf seinen sonnengebräunten Armen zeichneten sich die Konturen jedes Muskels ab, und auf seinen Beinen kräuselten sich blonde Haare. Ihr fiel wieder das tiefe Blau seiner Augen auf - wie das Blau des Pazifiks, unter dem sich eine geheimnisvolle, kaum erkundete Welt verbarg. Erst ein Prozent des Meeresbodens ist überhaupt erforscht, fiel ihr unvermittelt ein.
    Er wandte sich kurz zu ihr um. „ Aber mir können Sie einen Tee einschenken.” Dabei huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Doch bevor sie es näher betrachten konnte, war es schon verschwunden, und seine Züge waren wieder verschlossen wie eine Maske.
    „Schenken Sie sich doch selbst ein!“
    „ Warum sind Sie so unfreundlich?“
    Sie warf ihr weißblondes Haar zurück und schob ihr Kinn vor.
    „Zuerst will ich wissen, was das alles soll! Wieso waren S ie so nah an meinem Boot – und woher kamen plötzlich die Haie? U nd wieso hat ten Sie eine Pistole in der Hand, als ich auftauchte?”
    Wieder antwortete er nicht.
    „ Haie greifen nicht einfach so an!”
    „ Es gibt für alles ein erstes Mal”, bemerkte er ungerührt, als spräche er von etwas völlig Banalem.
    Seine Art irritierte sie. Angestrengt suchte sie nach etwas, um ihn zu provozieren und aus seiner verschlossenen Selbstsicherheit zu locken.
    „ Dort, wo Sie herkommen, gibt es wahrscheinlich noch nicht mal einen See zum Schwimmen”, redete sie weiter.
    Einen Augenblick blickte er sie sprachlos an, dann begann er, laut zu lachen. Seine Lippen öffneten sich und zeigten Zähne, die in der Sonne wie Quarze leuchteten.
    „Ich wüsste nicht, was da so lustig ist. Was machen Sie hier draußen ohne Taucherausrüstung? Und fischen wollten Sie ja wohl auch nicht.”
    Er ließ einen Moment seine Augen auf ihrem Gesicht ruhen, dann wandte er sich ab und konzentrierte sich aufs Steuern.
    „ Lassen Sie mich ans Steuer. Es ist schließlich mein Boot.” Und zu ihrer Überraschung machte er ihr wortlos Platz. Jetzt fühlte sie sich sicherer.
    Er bückte sich, goss Tee in den Becher der Thermoskanne, reichte ihn ihr. Doch sie hatte nur einen abweisenden Blick übrig. Er zuckte die Schultern, trank, schwenkte den Becher aus, schraubte ihn wieder auf die Flasche. Die nächsten zwanzig Minuten redeten sie nicht mehr, und er sah sie auch nicht mehr an.

    Als endlich die Mangroven am Hafen von Port Douglas in Sicht kamen , atmete sie auf. Immer näher rückte die Küste, und allmählich konnte sie auf den mit Regenwald bewachsenen Hügeln die Häuser ausmachen und auf dem Wasser die hölzernen Kais, an denen die Yachten und Ausflugsboote vertäut lagen. Sogar die Veranda ihres Hauses konnte sie zwischen hohen Gummibäumen erkennen.
    Konzentriert steuerte sie die Yacht in die Hafeneinfahrt, drehte bei und fädelte sich exakt in den Liegeplatz zwischen zwei Hochseefischerbooten ein. Sie wunderte sich, dass Greg schon dort wartete und winkte . Neben ihm stand der Mann, den sie nur wenige Sekunden beim Auftauchen gesehen hatte. Er war stämmig und gedrungen , hatte dunkles, sehr dichtes Haar, ei nen finsteren Blick und O-Beine . Greg machte das Boot fest, und der O-Beinige rief in einer Sprache, die sie nicht kannte, dem Mann auf ihrem Boot etwas zu. Der schien trotz des unfreundlichen Tons unbeeindruckt, sprang an Land und streckte die Hand aus, um Annabel beim Schritt über die Reling zu helfen.
    Doch sie ignorierte di e Geste, sah durch ihn hindurch und rief: „Greg!” Er fing sie in seinen Armen auf und diesmal hatte sie nichts dagegen.
    „ Greg! Was um Himmels willen geht hier eigentlich vor? Bist du okay?“
    „Ich schon! Und du? Mein Gott, hatte ich Angst um dich! Erst als sie schon losgefahren sind hab ich erfahren, dass du gar nicht an Bord bist!“
    „Wer sind diese Typen?“ Annabell sah zu dem blonden Fremden, der sie und Greg mit einem Ausdruck von distanzierter Neugier beobachtete.
    „ Sie haben mir nicht gesagt, wie Sie heißen!”, rief sie.
    Es dauerte ein e Ewigkeit, bis er antwortete. „ Steve.”
    „Annabel“, sagte sie mechanisch.
    „Ich weiß.“ Dann folgte er dem O-Beinigen zurück zum Kai mit seinen Restaurants, wo unter ausladenden Sonnenschirmen Touristen auf den Abend warteten.
    “Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.” Greg legte den Arm um sie. Sie versuchte harmlos und erleichtert zu lächeln, während sie den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher