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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen
Autoren: D Koontz
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ihr der Moment fast mystisch vor, als wäre er eher Dichtung als Wahrheit. Vielleicht war sie deshalb auf die Idee gekommen, sich auf die Veranda zu wagen.
    Sie griff mit der rechten Hand nach dem Türknauf. Besser gesagt, sie sah ihre Hand auf dem Türknauf liegen, ohne sich richtig daran zu erinnern, wie sie dahin gekommen war.
    Das Donnern des Regens, das von einem vielstimmigen Chor zu einem apokalyptischen Gebrüll anschwoll, und das gespenstische Licht wirkten hypnotisierend. Dennoch war sich Molly bewusst, dass sie nicht in Trance verfiel und von irgendeiner übernatürlichen Kraft aus dem Haus gelockt wurde wie in einem schlechten Film.
    Vielmehr hatte sie sich noch nie wacher und klarsichtiger gefühlt. Instinkt, Herz und Verstand waren so im Einklang, wie sie es in ihren achtundzwanzig Lebensjahren nur selten gewesen waren.
    Der für September völlig ungewöhnliche Regenguss und das seltsame Verhalten der Kojoten, vor allem ihre untypische Demut, wiesen darauf hin, dass die üblichen Gesetze
der Logik außer Kraft gesetzt waren. Eine solche Lage erforderte Kühnheit, nicht Vorsicht.
    Hätte Mollys Herz weiterhin so hektisch geschlagen, so hätte sie womöglich dennoch nicht den Türknauf gedreht, aber schon als sie lediglich daran dachte , ihn zu drehen, spürte sie, wie eine merkwürdige Ruhe sie überkam. Ihr Puls wurde langsamer, bis jeder Schlag sie mit schmerzhafter Wucht durchfuhr.
    In manchen chinesischen Dialekten, hatte sie einmal gelesen, gebraucht man für Gefahr und Gelegenheit dasselbe Wort. Das kam ihr jetzt ganz passend vor.
    Sie öffnete die Tür.
    Die Kojoten, insgesamt etwa zwanzig Stück, griffen sie weder an, noch knurrten sie. Sie bleckten nicht einmal die Zähne.
    Verwundert vom Verhalten der Tiere und von ihrem eigenen, setzte Molly den Fuß über die Türschwelle und trat auf die Veranda.
    Wie brave Haushunde machten die Kojoten ihr Platz und schienen sich über ihre Gesellschaft zu freuen.
    Trotz allen Staunens war Molly nicht jede Vorsicht abhandengekommen, weshalb sie mit schützend verschränkten Armen dastand. Dennoch hatte sie das Gefühl, sie hätte eine Hand ausstrecken können und die Kojoten hätten daran geschnüffelt und geleckt.
    Nervös richteten die Tiere den Blick abwechselnd auf Molly und auf den Wald ringsum. Ihr rasches, flaches Keuchen wies nicht auf Erschöpfung nach einem langen Lauf hin, sondern auf akute Angst.
    Irgendetwas in dem vom Regen gepeitschten Wald erschreckte sie. Offenbar war ihre Angst so stark, dass sie nicht wagten, darauf mit den gewohnten Drohgebärden zu reagieren, mit Knurren und gesträubtem Rückenhaar.
    Stattdessen zitterten sie und gaben ein schwaches, unterwürfiges Winseln von sich. Ihre Ohren waren nicht angelegt
wie bei einer aggressiven Reaktion, sondern aufgestellt, als könnten sie trotz des tosenden Regens den Atem und die leisen Schritte eines übermächtigen Raubtiers hören.
    Mit eingekniffenem Schwanz und zitternden Flanken schlichen sie unablässig hin und her. Sie sahen aus, als wären sie jeden Augenblick bereit, sich gemeinsam auf die Holzbohlen zu werfen und unterwürfig den Bauch nach oben zu kehren, um den Angriff eines grausamen Feindes abzuwenden.
    Wenn die Kojoten an Molly vorbeistrichen, empfanden sie den Kontakt mit ihr offenbar so tröstlich wie den mit ihren eigenen Artgenossen. Obwohl ihre Augen fremd und wild waren, sah Molly darin hoffnungsvolles Vertrauen und das Bedürfnis nach Geselligkeit. Diesen Ausdruck bekommt man sonst nur in den Augen besonders sanftmütiger Hunde zu sehen.
    Mollys Staunen verwandelte sich in Verwunderung, als eine überwältigende Flut von Emotionen in ihr anschwoll, wie sie sie in dieser Stärke noch nie erlebt hatte. Es war eine Art Wunderglaube, so stark, wie ihn sonst nur Kinder haben, eine fast heidnische Empfindung, eins mit der Natur zu sein.
    Die feuchte Luft war satt vom Geruch der nassen Felle und dem rauchigen, beißenden Duft tierischer Körpersäfte.
    Molly dachte an Diana, die römische Göttin der Jagd, die oft in Begleitung von Wölfen dargestellt wird, etwa, wie sie mit einem Rudel einen Hirsch verfolgt, über mondbeschienene Felder und Hügel hinweg.
    Das tiefe Bewusstsein, dass alle Dinge der Schöpfung miteinander in Verbindung stehen, stieg in ihr auf. Es kam nicht aus ihrem Verstand und auch nicht aus ihrem Herzen, sondern aus den kleinsten Strukturen ihres Wesens, als reagierten die mikroskopischen Fluten aus Zytoplasma
in ihren Milliarden von Zellen auf die
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