Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
ausgestorben. Schon deshalb wirkten die Besucher auf der Veranda wie Erscheinungen aus dem Jenseits.
    Als Molly genauer hinschaute, wurde ihr klar, dass es sich bei den Tieren um Kojoten handelte, die nicht umsonst auch als Präriewölfe bezeichnet werden. Ihr Verhalten war jedoch nicht weniger auffällig, als wenn es sich um ihre größeren Vettern aus der Welt der Sagen und Märchen gehandelt hätte.
    Seltsam war nicht zuletzt ihre Lautlosigkeit. Wenn Kojoten ihre Beute verfolgen, stoßen sie vor Erregung oft schrille Schreie aus, ein schauriges Heulen, das so gespenstisch klingt wie die Musik eines Theremins. Nun jedoch heulten und bellten sie nicht, sie knurrten nicht einmal.
    Im Gegensatz zu den meisten Wölfen jagen Kojoten oft allein, und wenn sie sich doch zu einem Rudel zusammenfinden, um etwa ein Reh zu hetzen, dann laufen sie nicht so dicht nebeneinanderher wie Wölfe.
    Bei den Kojoten auf der Veranda aber merkte man nichts von diesem Individualismus, der ihnen normalerweise eigen ist. Sie scharten sich Flanke and Flanke und Schulter an Schulter zusammen, sie rieben sich aneinander und verhielten sich nicht weniger gesellig als zahme Jagdhunde; sie waren nervös und suchten Unterstützung in der Gemeinschaft.

    Als sie Molly am Fenster stehen sahen, scheuten sie weder vor ihr zurück, noch reagierten sie aggressiv. Ihre glänzenden Augen, die Molly bisher immer grausam und blutdürstig vorgekommen waren, sahen nun nicht bedrohlicher aus als der vertrauensvolle Blick eines Haustiers.
    Der Ausdruck in den Augen der Kojoten passte so wenig zu Raubtieren, wie das nur vorstellbar war. Es war ein regelrecht flehender Blick.
    Das war so unwahrscheinlich, dass Molly ihrer Wahrnehmung misstraute. Dennoch glaubte sie, dieses Flehen nicht nur in den Augen zu bemerken, sondern auch in der Körperhaltung und im Verhalten der Tiere.
    Eigentlich hätte sie sich vor dieser scharfzahnigen Versammlung fürchten sollen. Tatsächlich schlug ihr Herz schneller als gewöhnlich, doch dafür war nicht Angst verantwortlich, sondern das Ungewöhnliche der Situation und das Gefühl, dass etwas Mysteriöses vor sich ging.
    Offensichtlich suchten die Tiere Schutz, obwohl Molly bisher noch nie beobachtet hatte, dass auch nur ein einziger Kojote sich aus einem Unwetter in die Nähe einer menschlichen Behausung geflüchtet hätte. Menschen stellten für diese Spezies eigentlich eine wesentlich größere Gefahr dar als irgendein Naturereignis.
    Außerdem gab es in diesem vergleichsweise dunklen und stillen Unwetter keine Blitze und Donnerschläge, die die Tiere vielleicht in ihren Höhlen aufgeschreckt hätten. Ungewöhnlich am Wetter war die gewaltige Wassermenge, doch der Regen fiel noch nicht lange genug, um solche zähen Räuber aus ihren Verstecken getrieben zu haben.
    Trotz der flehenden Blicke, mit denen die Kojoten Molly betrachteten, galt ihre Aufmerksamkeit vor allem dem Unwetter. Mit eingezogenem Schwanz und aufgestellten Ohren betrachteten sie die silbrige Flut und den tropfenden Wald mit nervösem Interesse, wenn nicht gar mit blanker Furcht.

    Während weitere wölfische Schatten aus der Nacht auf die Veranda schlichen, suchte Molly die Palisade aus Bäumen nach der Ursache des allgemeinen Unbehagens ab.
    Sie sah nicht mehr, als sie vorher gesehen hatte: schwach leuchtende Fluten, die sich aus dem übersättigten Himmel ergossen, und eine silbrige Vegetation, die sich unter der Wucht des Regens zitternd beugte.
    Dennoch spürte sie beim Anblick des nächtlichen Walds ein Kribbeln im Nacken, als drückte ein gespenstischer Liebhaber ihr seine ektoplasmatischen Lippen auf die Haut. Eine unerklärliche böse Ahnung jagte ihr einen Schauer durch den Leib.
    Verunsichert durch die Überzeugung, dass irgendetwas da im Wald, vom nassen Schleier dieser Sintflut verborgen, ihren Blick erwiderte, wich Molly vom Fenster zurück.
    Mit einem Mal kam der Computerbildschirm ihr zu hell vor – und viel zu deutlich sichtbar. Sie schaltete den Rechner aus.
    Schwarz und silbern strömte die Nacht vor den Fenstern herab. Selbst die Luft im Haus fühlte sich dumpf und feucht an.
    Das phosphoreszierende Licht warf schimmernde Glanzlichter auf eine kleine Porzellansammlung, auf gläserne Papierbeschwerer, auf das Blattgold von Bilderrahmen … Im Arbeitszimmer herrschte die unterseeische Atmosphäre eines tiefen Meeresgrabens, in den niemals ein Sonnenstrahl dringt, der jedoch von leuchtenden Seeanemonen und Quallen schwach erhellt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher