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Todespakt

Todespakt

Titel: Todespakt
Autoren: Michael Hübner
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Tochter ging es an jenem Abend nicht besonders gut. Vielleicht konnte sie das Unheil spüren, das sich dort zusammenbraute.«
    Eine erneute Pause setze ein, die von Simone Bernardi mit einem Röcheln kommentiert wurde.
    »Ich erfuhr durch Rohdes Anruf von den Vorgängen. Wir standen bereits länger in Kontakt, da auch er mittlerweile begriff, auf was er sich eingelassen hatte. Er war völlig außer sich und schrie, er würde uns alle auffliegen lassen. Eigentlich hatte ich schon in jener Nacht mit Ihrem Besuch gerechnet, Herr Kommissar. Doch dieses Mal war mir der Preis dafür zu hoch, dass ich mich geirrt hatte.«
    »Sie haben die restlichen Männer in dem Keller getötet, nicht wahr?«
    »Ich hatte es zunächst nicht geplant. Ich bin dorthin gefahren, um etwas Entscheidendes abzuholen, in der Hoffnung, die Sache damit endlich abschließen zu können. Doch dann erfuhr ich von weiteren Plänen für weitere Anschläge, bei denen vermutlich noch mehr Unschuldige gestorben wären. Da habe ich die Notbremse gezogen. Kurz darauf lauerte ich Herrmann auf. Ich brachte ihn in die Garage meines Hauses. Den Rest kennen Sie.«
    Chris sah zu Bernardis Tochter, die schon wieder leicht zu zucken begann. »Für wahr ein sehr hoher Preis für ein wenig Genugtuung.«
    Bernardi schloss für einen Moment die Augen. »Wahre Gerechtigkeit ist nicht billig, Herr Kommissar«, sagte er. »Sie verlangt immer ihre Opfer, das muss ich Ihnen sicher nicht sagen.« Er öffnete die Augen und betrachtete Chris mit festem Blick. »Glauben Sie an Gott?«
    »Ich will es mal so ausdrücken«, meinte Chris. »Ich stelle die Theorien der Wissenschaftler über die der Theologen.«
    »Demnach glauben Sie auch nicht an Schicksal.«
    »Ich glaube, wir Menschen suchen in unserer Verzweiflung immer nach einer universellen Ordnung, die es nicht gibt.«
    »Sie täuschen sich, Herr Kommissar. Es gibt diese Ordnung, sie fällt den meisten nur nicht auf, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Bei dem Versuch, die Welt von Abschaum zu befreien, bin ich selbst zum Abschaum geworden. Vielleicht war das meine Bestimmung. Denn immerhin ist es mir dadurch gelungen, diese Ordnung wieder herzustellen.«
    Das Röcheln im Hintergrund wurde lauter, und Chris sah, wie sich Simone Bernardis Oberkörper aufbäumte und verkrampfte. Ihr Kopf schleuderte hin und her, und der Speichel in ihrem Mundwinkel war zu feinem Schaum geworden. Chris sprang auf.
    Bernardi griff blitzschnell unter eines der Kissen auf der Couch und zog eine Pistole darunter hervor, die er auf Chris gerichtet hielt. »Setzen Sie sich, Herr Kommissar!«
    Zögernd, und wie betäubt, folgte Chris der Aufforderung, wobei er den Lauf der Pistole im Auge behielt.
    »Das ist Dragans Waffe, falls Sie sich fragen sollten. Der dazugehörige Schalldämpfer liegt in der Küche. Er war mir für diese Zwecke zu unpraktisch.« Er deutete mit dem Kinn in Richtung des Handys auf dem Tisch. »Sagen Sie Ihren Männern vor dem Haus, sie sollen sich ruhig verhalten. Das hier wird gleich vorbei sein, und Ihnen wird nichts geschehen, solange Sie oder Ihre Kollegen nicht auf dumme Ideen kommen.«
    Chris' Blick schwenkte auf das halbleere Glas auf dem Tisch. »Was haben Sie ihr gegeben?«
    »Ein starkes Nervengift. Sie können nichts mehr für sie tun, also bleiben Sie vernünftig.«
    »Wieso tun Sie das?«
    Zu Chris' Überraschung schluchzte Bernardi kurz auf. »Ich hätte es nie fertiggebracht, ihr eine Kugel durch den Kopf zu jagen. So ist es besser. Sie wird einfach einschlafen.«
    »Vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
    »Das ist es schon längst!«, schrie Bernardi. »Wann endet ein Menschenleben, Herr Kommissar? Das Gehirn meiner Tochter ist so stark geschädigt, dass sie nur noch eigenständig atmen und schlucken kann. Es sind nur Reflexe, die sie am Leben halten. Und an diesem Zustand wird sich nichts mehr ändern. Wir Menschen definieren uns von anderen Lebewesen in der Hauptsache durch Sprache, Verstand und Bewusstsein. Wenn all das unwiederbringlich verloren ist, existiert der Mensch nach meinem Ermessen nicht mehr. Meine Tochter ist schon vor zwei Jahren gestorben, Herr Kommissar. Was sie dort sehen, ist nur noch ihr Körper. Aber kein Arzt, mit dem ich gesprochen habe, wollte das einsehen.« Tränen traten in seine Augen, und diesmal ließ er sie zu. »›Die Würde des Menschen ist unantastbar‹«, zitierte er. »Aber wenn es um das Sterben geht, scheint dieser Satz keine Bedeutung zu haben. Ich habe
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