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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer
Autoren: Sharon Bolton
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Schlacht zwischen gewaltigen Eisbergen und uralten Granitfelsen getobt habe. Die Shetlands – ein Land der Meereshöhlen, Voes und sturmumtosten Klippen – waren das Ergebnis dieses Kampfes. Damals gefiel mir die Geschichte, jetzt aber glaube ich, dass er sich geirrt hatte; ich glaube, die Schlacht ist noch immer in vollem Gange. Tatsächlich denke ich manchmal, dass die Shetlandinseln und ihre Bewohner Jahrhunderte damit zugebracht haben, gegen den Wind und die See anzukämpfen … und dass sie verlieren.
    Â 
    Sie brauchten zwanzig Minuten. Das weiße Auto mit dem weithin sichtbaren blauen Streifen und dem keltischen Symbol auf der
vorderen Tür kam zuerst in unseren Hof gerollt. Dion is Cuidich, Schützen und Dienen lautete das Motto. Ein großer schwarzer Geländewagen und ein neuer, sehr sauberer Mercedes folgten dem Polizeiauto. Zwei Polizisten in Uniform stiegen aus dem Streifenwagen, doch es waren die Insassen der beiden anderen Autos, die ich betrachtete, als die Gruppe auf mich zukam.
    Die Mercedesfahrerin schien viel zu winzig, um Polizistin zu sein. Ihr Haar war sehr dunkel, es reichte knapp bis zu den Schultern und umrahmte stufig geschnitten ihr Gesicht. Als sie näher kam, sah ich, dass sie fein geschnittene, zarte Züge und braungrüne Augen hatte. Ihre Haut war makellos, milchkaffeefarben mit ein paar Sommersprossen auf der Nase. Sie trug neue grüne Gummistiefel, eine fleckenlose Barbour-Wachsjacke und Hosen aus rotem Wollstoff. An ihren Ohren blitzten Goldknöpfe und an ihrer rechten Hand etliche Ringe.
    Neben ihr wirkte der Mann aus dem Geländewagen riesig, mindestens eins fünfundachtzig, vielleicht sogar noch größer, mit breiten Schultern. Auch er trug eine Wachsjacke und Gummistiefel, doch seine waren abgewetzt, blank gescheuert und sahen aus, als hätten sie ein Dutzend Jahre auf dem Buckel. Sein Haar war dicht und rötlichblond, und er hatte die gerötete, von geplatzten Äderchen durchzogene Haut eines hellhäutigen Menschen, der sehr viel Zeit im Freien verbringt. Seine Hände waren riesig und voller Schwielen. Er sah aus wie ein Bauer. Ich stand auf, als sie näher kamen, und zog ein Stück Zeltplane über Jamies Kopf. Sie können sagen, was Sie wollen, aber was mich betrifft, haben selbst Pferde Anspruch auf eine Intimsphäre.
    Â»Tora Guthrie?«, fragte der Mann, blieb zwei Meter vor mir stehen und schaute auf die große, zugedeckte Gestalt zu meinen Füßen hinunter.
    Â»Ja«, bestätigte ich, als er wieder zu mir aufblickte. »Und ich glaube, die da drüben ist vielleicht interessanter für Sie.« Ich zeigte auf das Loch. Die Frau stand bereits am Rand und starrte hinab. Hinter ihr sah ich zwei weitere Polizeiwagen auf den Hof fahren.
    Der Polizist/Bauer war mit zwei Schritten am Rand meiner
Grube. Er schaute hinein und wandte sich dann wieder zu mir um.
    Â»Ich bin Detective Inspector Andy Dunn von der Northern Constabulary«, sagte er. »Abteilung für Schwerverbrechen. Das ist Detective Sergeant Dana Tulloch. Sie bringt Sie jetzt ins Haus.«
    Â 
    Â»Ungefähr sechs Monate«, sagte ich und fragte mich, wann ich wohl aufhören würde zu zittern.
    Wir waren in der Küche; Detective Sergeant Tulloch und ich saßen an dem Kiefernholztisch, und eine Polizistin stand in der Ecke. Normalerweise ist unsere Küche der wärmste Raum im ganzen Haus, heute jedoch fand ich das gar nicht. Sergeant Tulloch hatte den obersten Knopf ihrer Jacke geöffnet, sie jedoch nicht ausgezogen. Ich konnte es ihr nicht verdenken, doch mir wurde nicht gerade wärmer dabei, sie so eingemummelt zu sehen. Auch die Polizistin hatte ihre Jacke anbehalten, aber wenigstens hatte sie uns Kaffee gekocht, und der heiße Becher zwischen meinen Händen half ein bisschen.
    Ohne zu fragen, hatte DS Tulloch einen kleinen Laptop in eine Wandsteckdose eingestöpselt, und zwischen den Fragen, die sie auf mich abfeuerte, tippte sie mit einer Geschwindigkeit, die in einem Großraumbüro der fünfziger Jahre Eindruck gemacht hätte.
    Wir waren seit einer halben Stunde im Haus. Man hatte mir erlaubt, meine durchnässten Sachen auszuziehen. Genauer gesagt, hatte man darauf bestanden. Alles, was ich angehabt hatte, war mir weggenommen, in Plastikbeuteln verpackt und zu einem der wartenden Autos hinausgebracht worden. Allerdings hatte ich keine Gelegenheit bekommen zu duschen, und ich war mir der
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