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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer
Autoren: Sharon Bolton
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wir alle auf die reglose Schraube hinunterblickten. Ich hakte die Reling los und hielt mich an einer der Streben fest.
    Â»Wir müssen springen!«, schrie ich, schlang den anderen Arm fest um Freyas Taille und sah Dana und Odel an, um mich zu vergewissern, dass sie verstanden hatten. »Ich gebe das Zeichen.«
    Dana nickte, Odel mühte sich ab, die Augen offen zu halten,
doch Dana legte fest einen Arm um sie und packte mit der anderen Hand eine Strebe.
    Ich stieg auf die erste Stufe der Heckleiter hinunter. Wir hatten Tronal weit hinter uns gelassen, und es war kein Land nahe genug, als dass Schwimmen eine Option gewesen wäre. Wellen spülten mir jetzt über die Füße. Ich drehte mich um, verlor fast das Gleichgewicht und nickte Dana zu.
    Â»Auf drei«, keuchte sie. »Eins, zwei, drei, los.«
    Wir flogen durch die Luft und trafen auf die seidenglatte Oberfläche des Meeres. Sterne funkelten überall um uns herum, als wir tiefer sanken, und die Schwärze unter uns reckte die Arme empor und trug uns hinab. Ich fühlte keine Kälte, keinen Schmerz, keine Furcht, fühlte die Frauen um mich herum nicht, obwohl ich wusste, dass sie da waren.
    Ein Gefühl des Friedens erfüllte mich, der Endgültigkeit; eigentlich war es gar nicht so schlimm, das mit dem Sterben, einfach nur ein Versinken in einer samtweichen Finsternis.
    Doch der Lebenswille gibt so schnell nicht auf, denn ich fühlte, wie meine Beine austraten, Schwimmbewegungen machten. Dann füllten sich unsere Schwimmwesten mit Luft und begannen mit uns emporzusteigen. Die Wasseroberfläche zersprang wie berstendes Glas, und die salzige Nachtluft drang in unsere Lungen. Ich griff nach Dana, fand ihre Hand und glaubte, das Schimmern ihrer Augen zu sehen, als unsere Blicke sich trafen. Odel und Freya waren lediglich dunkle Umrisse im Wasser.
    Wieder hörte ich Maschinengeräusche und wusste, dass jemand in der Nähe war. Ich versuchte, Wut zu empfinden, dass wir so viel durchgemacht hatten, nur damit uns jetzt das Boot aus Tronal auffischte, doch es gelang mir nicht. Es war mir gleichgültig.
    Der Motorenlärm wurde laut, beinahe ohrenbetäubend, doch ich hatte keinerlei Orientierung, von wo er kam. Ich schaute zu Dana hinüber und glaubte zu sehen, wie sie nach oben blickte, eine Sekunde, bevor wir von Licht überflutet wurden.
    Als ich die Augen wieder aufschlug, fing ich an zu schreien.

41
    Ich befand mich in einem kleinen, cremeweiß gestrichenen Raum mit Blumendrucken an den Wänden und einer Tür, die zu einem privaten Badezimmer führte. Ich war wieder auf Tronal, war an ein schmales Krankenhausbett gekettet. Meine Schreie hallten durch das Gebäude.
    Die Tür zum Korridor flog auf, und eine Krankenschwester kam hereingestürzt, gefolgt von einem Pfleger und einem jungen Arzt. Sie drängten sich um mein Bett, gaben beschwichtigende Laute von sich und versuchten, mich dazu zu bringen, mich wieder hinzulegen. Ich hatte senkrecht im Bett gesessen. Hastig schaute ich auf meine Handgelenke hinunter. Keine Fesseln waren daran befestigt. Ich versuchte, die Beine anzuziehen. Eines ließ sich leicht bewegen, das andere war zu fest verbunden. Keine Spur von Ketten. Es stand noch ein anderes Bett im Zimmer, doch ich konnte nicht sehen, wer darin lag, die Schwester stand im Weg.
    Der Arzt hatte meinen Arm gepackt, hielt eine Spritze in der Hand. Ich riss mich los und schlug zu. Er fluchte und ließ die Spritze fallen.
    Â»Keine Medikamente. Wagen Sie es ja nicht, mir etwas zu geben!« , brüllte ich.
    Â»Klingt, als ob sie’s ernst meint«, sagte eine Stimme, die ich kannte. Wir drehten uns alle um.
    Kenn Gifford stand in der Tür. Die anderen traten vom Bett weg, wussten nicht recht, was sie jetzt tun sollten.
    Â»Wo bin ich?«, wollte ich wissen.
    Â»Im Balfour-Krankenhaus«, antwortete Kenn. »Auf Orkney. DCI Rowley und ich dachten, Sie wären vielleicht gern mal eine Zeit lang nicht auf den Shetlands.«
    Â»Duncan«, keuchte ich, drauf und dran, wieder loszubrüllen.

    Kenn deutete auf die andere Seite des Zimmers; ein kleines Lächeln lag auf seinem Gesicht. Die Schwester war zur Seite getreten, und ich konnte den Mann in dem Bett neben meinem sehen. Ohne auf die Schmerzen zu achten, schob ich die Beine über die Bettkante, bis ich aufrecht dastand.
    Kenn legte mir den Arm um die Taille und half mir zu Duncans Bett hinüber, wobei er mich halb
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