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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer
Autoren: Sharon Bolton
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fallen zu lassen. Realistisch gesehen können es nur ein paar Sekunden gewesen sein, bevor ich begriff, dass das Boot führerlos herumkreiselte. Ich kroch zurück ins Cockpit und streckte die Hand nach dem Knopf aus, der den Motor abstellen würde. Die Maschinen erstarben, und ihr Getöse verklang in der Nacht. Noch immer befand sich das Boot im Griff von Wind und Gezeiten, doch es schoss nicht mehr wie wahnsinnig dahin. Und das war absolut alles, mehr konnte ich nicht tun. Ich sackte zusammen, lehnte mich an das Steuerrad und fragte mich, wo Hilfe herkommen
solle. Ob überhaupt die realistische Möglichkeit dazu bestand.
    Dann erschien Danas Gesicht im Niedergang. Sie sah mich, schien aber immer noch nicht sprechen zu können. Gleich darauf war sie verschwunden, und ich fragte mich, ob sie die Stufen hinuntergefallen war. Ich wollte ihr helfen, versuchte sogar, aufzustehen, doch es gelang mir nicht. Mir war zum Heulen, doch nicht einmal dafür reichte die Kraft.
    Dann erschien etwas über der ersten Stufe des Niedergangs. Ein Gewirr aus Leinwandgurten und Metall. Es war eine Schwimmweste  – sie war auf einem der Regale in der Hauptkajüte verstaut gewesen. Ich sah eine zweite auftauchen. Und eine dritte.
    Â»Tora, kommen Sie. Ziehen Sie eins von diesen Dingern an.« Ich konnte Danas Stimme kaum hören, so schwach klang sie durch den Wind hindurch. Ich packte das Steuerrad und schaffte es, mich auf alle viere hochzuziehen. Dann kroch ich um das Steuerrad herum und über den Cockpitboden. Mein Bein pochte wieder vor Schmerzen, und ich versuchte, nicht daran zu denken, mich darauf zu konzentrieren, zu den Stufen zu gelangen.
    Eine Hand erschien, ein Frauenarm. Rasch packte ich zu. Ich hatte keinerlei Kraft mehr, doch ich hielt ihn fest, als ich hintenüberkippte und eine Frau über die oberste Stufe sackte. Ihr dunkles Haar fiel nach vorn und verdeckte ihr Gesicht. Wieder zog ich an ihr und hörte Dana ächzen, als sie von unten schob. Die dunkelhaarige Frau glitt über die Stufen nach oben und landete auf mir. Ich schob sie zur Seite. Es war Freya, die Jüngere der beiden. Ihre Augen öffneten sich kurz, sie starrte mich an, schloss sie dann wieder und sank gegen den Cockpitsitz.
    Ich hörte Danas Stimme »Tora!« rufen. Sah Bewegung auf dem Niedergang, noch mehr Hände am Geländer. Odel kam selbst heraufgeklettert. Sie sah geschwächt aus, schien kaum ansprechbar zu sein, und ich nahm an, dass Dana sie von unten hinaufschob. Ich griff nach ihrer Hand, und sie stolperte über die letzte Stufe und ins Cockpit hinein. Die Kälte ließ sie nach Luft schnappen.

    Irgendwie gelang es mir aufzustehen und zum Niedergang zu taumeln. Ich streckte die Hand aus und packte Danas Arm. Sie kam mit überraschender Leichtigkeit herauf, und ich half ihr, über die letzte Stufe zu steigen. Als der Wind sie traf, schauderte sie heftig. Unter ihr sah ich Wasser in der Kajüte, das schnell stieg. Gair hatte gesagt, wir hätten zehn Minuten, wenn das Wasser ins Boot eindrang.
    Danas Blick begegnete dem meinen. »Schwimmwesten«, keuchte ich und schaute zu Freya und Odel hinüber. Dana – die vernünftige, praktisch veranlagte Dana – trug bereits eine. Sie nickte und reichte mir eine. Es gelang mir, sie über den Kopf zu streifen und die Metallschließe einzuhaken. Dana half mir, den beiden anderen Frauen ebenfalls Schwimmwesten überzustreifen. Dann blies ich alle vier auf und schaltete die kleine Lampe ein, die jemandem, der nach uns suchte, den Hauch einer Chance geben würde.
    Inzwischen schwappte Wasser übers Heck, und wir saßen alle vier in einem eisigen Tümpel. Gischt durchnässte uns. Für ein Rettungsfloß war keine Zeit, selbst wenn ich es hätte finden können. Ich schnappte mir vier Gurte und hakte unsere Schwimmweste in Taillenhöhe aneinander. Schwimmen oder untergehen, wir würden es gemeinsam tun.
    Â»Können Sie aufstehen?«, schrie ich Dana zu.
    Â»Ich glaube schon«, brachte sie hervor, und zusammen kämpften wir uns auf die Beine. Odel schaffte es, sich mit uns zu erheben, und gemeinsam stützten wir Freya. Ihr Blick verschwamm, und sie sackte wieder weg. Ich stieg erst auf den Sitz und dann auf das Seitendeck. Dana folgte mir, dann kam Odel, und wir zerrten Freya zu uns herauf. Stolpernd und uns an allem festklammernd, was stabil aussah, suchten wir uns einen Weg zum Heck, bis
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