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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer
Autoren: Sharon Bolton
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Legenden nachzuweisen. Diese dreizehn Personen werden vielleicht alle sein, die wir jemals zu fassen bekommen.
    Stephen Gair ist immer noch verschwunden. Wir haben keine Ahnung, ob er noch lebt oder tot ist. Wir können nur spekulieren.
    Richards Beerdigung findet morgen auf Unst statt. Wir waren
in jener Nacht in relativ flachem Wasser gesunken, und die Motoryacht mit dem Leichnam an Bord konnte ohne große Schwierigkeiten geborgen werden. Man rechnet damit, dass die Hälfte der Bewohner der Shetlands zu diesem Ereignis erscheint, um Richards Andenken zu ehren, doch Duncan und ich werden nicht darunter sein. Wir haben lange darüber geredet, aber wir bringen es beide nicht über uns. Noch immer habe ich blaue Flecken am Hals und kann nicht so tun, als trauerte ich um den Mann, dem ich sie verdanke. Und ebenso wenig kann ich in die Gesichter der Trauergäste schauen und überlegen …
    Duncans Beweggründe sind komplexer. Er bemüht sich, damit zurechtzukommen, wie nahe er dran war, einer von ihnen zu werden.
    Also wird Kenn uns morgen vertreten. In den letzten Wochen haben wir ihn ziemlich oft zu Gesicht bekommen. Er hat sich angewöhnt, unangekündigt aufzutauchen, normalerweise zur Essenszeit. Noch immer flirtet er schamlos, aber nur, wenn Duncan dabei ist. Ansonsten vermeidet er es, mit mir allein zu sein, also liegt dieses Problem fürs Erste auf Eis. Ich habe der Geschichte, wer wem die Freundin ausgespannt hat, noch immer nicht auf den Grund gehen können, und es wird mir wohl auch niemals gelingen; ich weiß nicht genau, ob es die beiden überhaupt noch kümmert. Kenn war derjenige, haben wir erfahren, der Duncan operiert und ein Blutgerinnsel aus seinem Gehirn entfernt hat. Letzten Endes ist es wohl schwer, jemanden zu hassen, der einem das Leben gerettet hat. Außerdem macht es beiden Spaß, sich über die scheinbar endlosen polizeilichen Ermittlungen aufzuregen.
    Bis jetzt ist weder gegen Duncan noch gegen Kenn Anklage erhoben worden, doch noch haben wir nicht das Gefühl, aufatmen zu können. Am meisten wirkt sich die Tatsache zu Duncans Gunsten aus, dass er mit einer heftig blutenden Kopfwunde und dem Tod vor Augen im Keller eingeschlossen vorgefunden worden war, als Helen und ihr Team in jener Nacht die Insel stürmten. Dass er die Shetlandinseln fast zwanzig Jahre lang nicht betreten
hat, wird ihm auch angerechnet werden. Was Kenn betrifft, der war günstigerweise in so ziemlich jedem der Sommer, in denen die weibliche Sterberate jäh anstieg, im Ausland. Ich glaube, Richard hat sich sehr große Mühe gegeben, seinen Lieblingssohn zu schützen.
    Die Entbindungsklinik Tronal ist endgültig geschlossen worden. Die beiden Säuglinge, die ich damals dort gesehen habe, sind auf eine Station für Frühgeborene in Edinburgh verlegt worden; beiden geht es gut. Man wird ihre leiblichen Mütter ausfindig machen und ebenso alle Frauen, die im Lauf der letzten Jahre auf Tronal einen späten Schwangerschaftsabbruch haben vornehmen lassen. Wie ihre rechtliche Beziehung zu den Kindern aussehen wird, die sie glauben abgetrieben zu haben – wer kann das sagen? Das ist nur eine weitere der vielen unseligen Verwirrungen, die auf Tronal entstanden sind.
    Das Gelände um die Klinik herum wird gründlich inspiziert. Man hat bereits sterbliche Überreste von Menschen gefunden, doch nach dem, was ich in Erfahrung bringen konnte, wird das eine langwierige Angelegenheit sein. Auf einem Areal nah beim Strand sind einige winzige Skelette ausgegraben worden. Von all den Babys, die im Lauf der Jahre auf Tronal zur Welt gekommen sind, sind diese es, um die mein Herz am meisten weint. Die, die es nicht geschafft haben.
    Sowohl Collette McNeil als auch Alison Rogers sind dank ihres Aufenthalts auf Tronal schwanger. Es hat kein Geschlechtsverkehr stattgefunden; die Schwangerschaften sind dadurch zustande gekommen, dass Ärzte den Muttermund der Frauen geweitet und Sperma direkt in die Gebärmutter injiziert haben. Im Augenblick streiten Anwälte darüber, ob dies technisch gesehen den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt. Collette hat vor abzutreiben. Sie und ihre Familie verlassen die Shetlands. Alison, zwanzig Jahre alt und ledig, erwägt, das Kind zu behalten.
    Ich drehte mich um, als ich Schritte auf dem Kies hörte. Dana hatte sich durch die Pressebarriere gekämpft und kam auf uns zu. Sie trug Jeans und einen großen, weiten
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