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Todesfeuer

Todesfeuer

Titel: Todesfeuer
Autoren: Jonathan Kellerman
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weißlicher Fleck. Es sieht also so aus, als ob sie den Akt vollzogen haben, selbst wenn sie nachträglich in Pose gebracht wurden.«
    Sie kniete sich wieder hin und zog die aufgerollte Jeans des Mannes so weit hoch, dass sie die Taschen durchsuchen konnte. »Okay, das wär’s.«
    Sie hielt eine blaue, mit einem Druckknopf verschlossene Vinylbrieftasche hoch.
    Milo zog Handschuhe an. »Keine Autoschlüssel?«
    »Nee, bloß das hier. Ich etikettiere sie, dann können Sie sie durchgehen. Ich habe kein Zivilfahrzeug auf der Straße gesehen. Vielleicht hat es als Raubüberfall angefangen?«
    »Und dann sind auf einmal alle hier raufgerannt, und die beiden haben es miteinander getrieben, oder was?«
    »Ich dachte eher an einen geplanten Raubüberfall, dann hat der Täter seine Meinung geändert.«
    Milo zuckte die Achseln.
    »Tut mir leid, Lieutenant. Ich war ganz schön vorlaut.«
    »Im Moment«, sagte Milo, »nehme ich alles, was ich kriegen kann.«
    »Ich bin neu in dem Job«, sagte sie. »Ihnen kann ich bestimmt nichts beibringen, das ist eh klar. Ich glaube, wir sollten sie jetzt umdrehen. Ich messe die Lebertemperatur und sehe zu, ob wir den Todeszeitpunkt feststellen können.«
     
    Kurz darauf wischte sie das Leichenthermometer ab. »Und?«, sagte Milo.
    »Wahrscheinlich irgendwann in den letzten zwölf Stunden. Die Does können Ihnen sicher mehr sagen.«
    Die Züge des männlichen Opfers waren ein Abklatsch des hübschen, lächelnden Gesichts auf dem Führerschein in der blauen Vinylbrieftasche. Desmond Erik Backer, letzten Februar zweiunddreißig Jahre alt geworden, eins achtzig groß, 77 Kilo schwer, braune Augen, braune Haare, wohnhaft an der California Avenue in Santa Monica, der Adresse nach zu schließen drei Querstraßen vom Strand entfernt.
    Die Brieftasche enthielt zweihundert Dollar in Fünfzigern und Zwanzigern, zwei goldene Kreditkarten, ein paar wiezenfarbene Visitenkarten, ein Foto von einem kleinen blonden Mädchen um die zwei, das ein mit Spitzen besetztes rotes Samtkleid trug. Eine Sportuhr von TAG Heuer am linken Handgelenk, ansonsten kein weiterer Schmuck. Am Ringfinger deutete kein blasser Streifen auf einen Ehering hin, der aus Taktgefühl oder anderen Gründen abgenommen worden war.
    Milo zeigte mir die Beschriftung auf der Rückseite des Kinderporträts. Samantha, 22 M. Niemand anders hätte das leichte Zucken seines Lids bemerkt.
    Er nahm sich die Visitenkarte vor. Desmond E. Backer, AIA, Gemein, Holman und Cohen, Architekten. Main Street in Venice.
    »Hübsche Uhr«, sagte er und suchte auf der Rückseite der TAG nach einer Gravur. Nichts. Er betrachtete den Lederaufnäher an der Jeans. »Zegna.«
    »Ihr Kleid wirkt aber fast ein bisschen billig, finden Sie nicht?«, sagte die rechtsmedizinische Assistentin.
    Sie musterte das Etikett. »Made in China, Polyester… kurz und eng. Könnte sie vielleicht ein Straßenmädchen sein?«
    »Möglich ist alles.« Milo gab die Brieftasche zurück. Während er eintütete und sich Notizen machte, musterte er weiter die Leichen.
    Keine Spur von der Handtasche des weiblichen Opfers. Markenlose Goldohrringe, drei ebenso unscheinbare silberne Armreifen am Handgelenk. Leichtes Make-up.
    Er beugte sich dicht an ihr rechtes Ohr, als wollte er ihr ein Geheimnis anvertrauen. »Sie hat sich kürzlich die Haare gewaschen. Ich kann das Shampoo noch riechen.«
    »Ich hab’s auch gerochen«, sagte die RA. »Suave. Das benutze ich auch.«
    »Teuer?«
    Sie gluckste. »Bei meinem Gehalt?« Dann wurde sie wieder ernst und betrachtete das bleiche Gesicht der Toten.
    Selbst in diesem Zustand war sie eine ungemein gut aussehende Frau mit vollen Brüsten, einem straffen Körper mit einer etwas niedrig angesetzten Taille, einem ovalen Gesicht und großen, leicht schräg stehenden Augen. Im Leben war sie braungebrannt gewesen; der Tod hatte sie jedoch mit einem schmutzigen Asphaltton überzogen.
    Rosa Gloss auf den Lippen. Saubere Nägel, nicht lackiert. Die rechtsmedizinische Assistentin hatte bei ihrer Untersuchung nirgendwo eine Schussverletzung entdeckt, aber die Lederhaut ihrer Augen war marmoriert und mit Blut gesprenkelt, und ihr langer Hals war angeschwollen, blau verfärbt und von einem entzündlich magentaroten Streifen durchzogen.
    Die rechtsmedizinische Assistentin wies auf den verkrusteten, milchigen Fleck auf dem Oberschenkel der Toten hin. Untersuchte die Fingernägel. »Sieht nicht so aus, als ob da irgendwas drunter ist. Armes Ding. Ist es okay, wenn ich
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