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Todesfee

Todesfee

Titel: Todesfee
Autoren: P Tremayne
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…«
    »… dem Lukas-Evangelium«, unterbrach ihn Fidelma mit einem spitzbübischen Lächeln.
    Abt Laisran lächelte zurück.
    »Entgeht deiner Aufmerksamkeit denn gar nichts, Fidelma? Manche Fälle müssen doch auch dich verblüffen? Zum Beispiel gibt es sicher viele Morde, bei denen es unmöglich ist, jemandem die Schuld zuzuschreiben.«
    »Vielleicht habe ich Glück gehabt«, gab Fidelma zu. »Aber ich glaube trotzdem nicht, dass es das vollkommene Verbrechen gibt.«
    »Na, na, das ist doch wohl übertrieben.«
    »Selbst wenn ich eine Leiche untersuche, bei der nichts darauf hinzuweisen scheint, wer er oder sie im Leben gewesen ist oder wann und wie er oder sie gestorben ist, ganz zu schweigen durch wessen Hand, so kann eine gute Beobachterin doch immer irgendetwas herausfinden. Die Toten flüstern uns stets etwas zu. Es ist an uns, diesem Flüstern der Toten zu lauschen.«
    Der Abt wusste, dass es nicht in Fidelmas Natur lag, sich ihrer Fähigkeiten zu brüsten. Trotzdem stahl sich ein beinahe skeptischer Ausdruck auf sein rundliches Gesicht.
    »Ich würde dir gern eine Wette anbieten«, verkündete er plötzlich.
    Fidelma runzelte die Stirn. Sie wusste, dass Abt Laisran gern |17| und viel wettete. Sie hatte sich schon viele Male beim großen Jahrmarkt von
Curragh
die Pferderennen angeschaut und Abt Laisran dabei beobachtet, wie er große Summen gewann und genauso viel verlor, wenn er Geld auf die verschiedenen Pferde setzte.
    »Was für eine Wette schwebt dir vor, Laisran?«, fragte sie vorsichtig.
    »Du hast gesagt, dass uns die Toten etwas zuflüstern und wir nur die Ohren aufmachen und lauschen müssen. Dass die Leiche eines Menschen, ganz gleich, wie die Umstände sind, uns schließlich doch das verrät, was wir wissen müssen, um festzustellen, wer sie ist, und herauszufinden, wer die Schuld an ihrem Tod trägt. Habe ich dich da richtig verstanden?«
    Fidelma nickte.
    »Das ist bisher meine Erfahrung gewesen«, versicherte sie ihm.
    »Nun denn«, fuhr Abt Laisran fort, »würdest du mit mir wetten, dass du mir einen Beweis für diese Behauptung liefern kannst?«
    »Unter welchen Bedingungen?«
    »Die Sache ist recht einfach. Zufällig wurde heute Morgen unweit dieser Abtei eine junge Bauersfrau tot aufgefunden. Wir hatten keinerlei Möglichkeit, festzustellen, wer sie ist. Auch Befragungen in den umliegenden Dörfern gaben uns keinen Aufschluss darüber, wer sie sein könnte. Es scheint dort niemand vermisst zu werden. Sie war wohl eine arme Wanderarbeiterin. Einer unserer Brüder hatte Mitleid mit ihr und brachte die Leiche in die Abtei. Morgen bestatten wir sie, unserem Brauch gemäß, in einem anonymen Grab.« Abt Laisran schaute Fidelma listig an. »Wenn dir die Toten wirklich Dinge zuflüstern, Fidelma, dann kannst du ja vielleicht herausfinden, wer die Frau ist.«
    |18| Fidelma überlegte kurz.
    »Du sagst, dass es eine junge Frau ist? Woran ist sie gestorben?«
    »Das ist eben das Geheimnis. Nichts an ihr lässt erkennen, wie sie gestorben ist. Sie war gut genährt, meint unser Bruder Apotheker.«
    »Keine Spuren von Gewaltanwendung?«, fragte Fidelma leicht verwundert.
    »Keine. Das Ganze ist ein Mysterium. Daher biete ich dir die Wette an. Wenn du tatsächlich die Todesursache herausfindest oder etwas entdeckst, das uns hilft, den Namen der Unglückseligen in Erfahrung zu bringen, dann glaube ich dir deine Behauptung. Also, wettest du mit mir?«
    Fidelma zögerte. Sie mochte es nicht, wenn man ihre Fähigkeiten anzweifelte. Eine beinahe selbstverliebte Stimme wurde in ihr laut.
    »Worum wollen wir denn wetten?«
    »Um einen
screpall
1 für den Opferstock der Abtei«, antwortete Abt Laisran lächelnd. »Ich gebe einen
screpall
für die Armen, wenn du mehr über die unglückselige Frau herausfinden kannst, als wir bisher erfahren konnten. Wenn es dir nicht gelingt, dann zahlst du einen
screpall
in den Opferstock.«
    Ein
screpall
war der Betrag, den normalerweise eine
dálaigh
für eine Beratung forderte.
    Fidelma zögerte einen Augenblick. Dann gewann ihr Stolz die Oberhand, und sie nickte. »Einverstanden.«
    Sie erhob sich und setzte unvermittelt ihren Becher mit gewürztem Wein ab. Der Abt zuckte zusammen.
    »Wo gehst du denn hin?«, wollte er wissen.
    »Nun, ich will mir die Leiche ansehen. Ich habe nur noch ein, |19| zwei Stunden Tageslicht, und viele wichtige Hinweise sieht man bei künstlichem Licht nicht mehr so gut.«
    Abt Laisran zögerte. Dann stellte auch er seinen Becher ab und stand
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