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Todesdämmerung

Todesdämmerung

Titel: Todesdämmerung
Autoren: Dean R. Koontz
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aber ein Bündel, von dem seine Hände ihm sagten, daß es einen Hund enthielt, und es bestand also überhaupt keine Notwendigkeit, es zu öffnen, überhaupt keine Notwendigkeit.
    Der Reißverschluß des Sackes spiegelte sich in einem Mondstrahl. Das silberne Schimmern war wie ein kaltes, starr blickendes Auge.
    Selbst wenn er den Sack öffnete und nur Steine fand, oder selbst wenn er etwas Schlimmeres fand, etwas unvorstellbar Schreckliches, den unumstößlichen Beweis für Joeys höllische Herkunft, konnte er doch nicht als Rächer Gottes handeln. Welche Untertanenpflicht schuldete er denn einem Gott, der in der Welt so viel Leid zuließ? Was war mit seinem eigenen Leiden als Bund, der schrecklichen Einsamkeit, den Schlägen und der ständigen Furcht, die er erlitten hatte? Wo war Gott denn damals gewesen? Konnte das Leben denn soviel schlimmer sein, nur weil es einen Wechsel in der göttlichen Monarchie gegeben hatte?
    Er erinnerte sich an Denton Boothes mechanische Spardose: In einer Welt der Esel gibt es keine Gerechtigkeit.
    Vielleicht würde ein Wechsel Gerechtigkeit bringen.
    Aber er glaubte natürlich ohnehin nicht, daß die Welt von Gott oder dem Teufel regiert wurde. Er glaubte nicht an göttliche Monarchie.
    Was seine Anwesenheit hier noch lächerlicher machte.
    Der Reißverschluß blitzte.
    Er wälzte sich auf den Rücken, um das Blitzen nicht zu sehen.
    Er stand auf, hob den Sargdeckel. Er würde ihn wieder befestigen, das Grab auffüllen, nach Hause gehen und in bezug auf diese Situation vernünftig sein.
    Er zögerte.
    Das Zwanghafte an seinem Handeln verfluchend, legte er den Deckel weg. Statt dessen griff er in das Grab und holte den Sack heraus. Er zog den Reißverschluß auf, der ein in sektenähnliches Geräusch erzeugte.
    Er zitterte.
    Er zog das Tuch zurück.
    Er knipste seine Taschenlampe an, stöhnte auf.
    Was zum Teufel...?
    Mit zitternder Hand richtete er den Lichtkegel der Taschenlampe auf den kleinen Grabstein und las in dem schwachen Licht die Aufschrift, richtete dann das Licht wie der auf den Inhalt des Sackes. Einen Augenblick lang wußte er nicht, was seine Entdeckung bedeutete, aber dann lichteten sich langsam die Nebel der Verwirrung, und er wandte sich von dem Grab ab, wandte sich von dem verwesenden Kadaver ab, von dem ein widerwärtiger Gestank ausging, unterdrückte den Brechreiz, der ihn erfaßte.
    Als das Ekelgefühl nachließ, begann er zu zittern, aber vor Lachen, nicht vor Angst. Er stand da in der Stille der Nacht, auf einem Hügel in einem Tierfriedhof, ein erwachsener Mann, den kindischer Aberglaube erfaßt hatte, fühlte sich, als hätte man ihm eine Posse von kosmischen Ausmaßen gespielt, einen guten Witz, einen ungeheuer spaßigen Witz, bei dem er sich wie ein Riesenkerl vorkam. Der Hund in Brandys Grab war ein Irish Setter, kein Golden Retriever, überhaupt nicht Brandy, und das bedeutete, daß die Leute, die diesen Tierfriedhof betrieben, grandiosen Mist gebaut hatten, Brandy im falschen Grab bestattet und den Setter in dieses Loch gelegt hatten. Ein in Segeltuch gehüllter Hund ist wie der nächste, und die Verwechslung des Bestattungsunternehmers schien nicht nur verständlich, sondern sogar unausweichlich. Wenn der Bestatter nicht sorgfältig war, oder, was wahrscheinlicher war, er hier und da einen Schluck aus der Flasche nahm, war die Wahrscheinlichkeit groß, daß hier eine Menge Hunde unter den falschen Steinen lagen. Schließlich war die Bestattung eines Familienhundes nicht genauso wichtig wie das Begräbnis von Oma oder Tante Emma; die Vorkehrungen waren nicht ganz so gründlich. Nicht ganz! Um Brandys echten letzten Ruheort zu finden, würde er die Identität des Setters aufspüren und ein zweites Grab öffnen müssen, und ein Blick auf die Hunderte und Aberhunderte niedriger Steine sagte ihm, daß es eine unmögliche Aufgabe war. Außerdem hatte es nichts zu sagen. Die Verwechslung war wie ein Guß kalten Wassers ins Gesicht; sie brachte Charlie wieder zur Besinnung. Plötzlich sah er sich als eine Parodie des Helden in einem dieser alten Horrorfilme, der einen Friedhof heimsucht, auf der Suche nach... nach was? Nach dem Dracula -Hund? Er lachte so laut, daß er sich hinsetzen mußte, um nicht hinzufallen.
    Es hieß, der Herr tue sein Werk auf geheimnisvolle Art, also tat vielleicht auch der Teufel sein Werk auf geheimnis volle Art. Aber Charlie konnte einfach nicht glauben, daß der Teufel so geheimnisvoll, so subtil, so raffiniert, so albern war,
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