Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todescode

Todescode

Titel: Todescode
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
Washington bekannt – er hatte sogar ein paarmal als Sachverständiger im Kongress über Visa-Quoten und Kapitalertragsteuern und ähnliche Themen gesprochen, die dem Silicon Valley so am Herzen lagen. Vielleicht … vielleicht hatte er mit der Sache doch mehr zu tun, als Ben ihm zutraute. Ben war arrogant, was seine Fähigkeiten anging, und er hatte Alex mehr oder weniger deutlich gesagt, dass Anwälte in seinen Augen bloß ein Haufen Latte macchiato schlürfender Trottel waren. Diese Arroganz könnte ihn blind dafür gemacht haben, wie durchtrieben und politisch ausgebufft solche »Player« wie Osborne sein konnten. Je mehr Alex darüber nachdachte, desto überzeugter wurde er, dass Ben Osbornes Beteiligung an der Sache falsch einschätzte. Und je sicherer Alex wurde, dass Ben sich in Osborne täuschte, desto sicherer wurde er, dass Ben sich auch in seinem Kommandeur täuschte.
    Er drehte sich im Kreis, im eigentlichen wie im übertragenen Sinne. Es reichte. Er würde die Sache frontal angehen.
    Er fuhr zu Sullivan, Greenwald, parkte aber eingedenk von Bens Warnungen in dem Bürokomplex auf der anderen Straßenseite. Er überquerte die Page Mill, betrat die Kanzlei durch einen Hintereingang und ging schnurstracks hoch zu Osbornes Büro. Er verdrängte sämtliche Gedanken, die auf ihn einstürmten – all die Gründe, warum er dabei war, eine Dummheit zu begehen, all die Möglichkeiten, wie die Sache schiefgehen könnte. Er schluckte, doch seine Kehle blieb trocken.
    Osborne telefonierte, die Cowboystiefel auf dem Schreibtisch. Alex marschierte einfach rein und schloss die Tür. Osborne warf ihm einen Blick zu –
Können Sie nicht mal anklopfen
? – und redete weiter. Eine Sekunde lang drohten Alex’ Zweifel ihn zu lähmen. Dann brach sich irgendwas in ihm Bahn, und er schritt zum Schreibtisch und drückte auf die Telefongabel.
    Osborne nahm die Füße mit Schwung von der Schreibtischplatte. »Was fällt Ihnen ein?«, sagte er. Er schlug Alex’ Hand von der Gabel und fing an, eine Nummer einzutippen. Alex nahm das Gerät und schleuderte es durch den Raum. Es krachte gegen die Wand und zerbrach.
    Osborne sprang auf. »Sind Sie übergeschnappt?«, sagte er mit weitaufgerissenen Augen.
    Alex sah ihn an. Sein Herz hämmerte, aber im Kopf war er wunderbar klar. »Was wissen Sie über Obsidian?«, fragte er.
    »Ich weiß nichts darüber. Für Obsidian waren Sie zuständig, schon vergessen? Und Ihr bibelfester Bruder hat mich das alles schon gefragt. Mit vorgehaltener Pistole übrigens.«
    »Sie haben Glück, dass er Sie nicht abgeknallt hat.«
    »Ja, Sie haben auch Glück, dass Sie noch am Leben sind.«
    Und mit einem Mal wusste Alex, dass Osborne Ben verschaukelt hatte. Es gab gar keine Fotos. Ja, er hatte Angst; vielleicht davor, aufzufliegen, aber nicht weil er erpresst wurde. Ansonsten würde er Alex nicht so ansehen, als sei er bloß eine lästige Fliege. Er hätte nicht so schnell wieder in den Arschloch-Modus zurückgeschaltet.
    Auf Osbornes Schreibtisch stand ein Briefbeschwerer aus Acrylglas. Ohne nachzudenken, packte Alex das Ding wie einen Stein und schlug Osborne damit gegen den Kopf. Osborne schrie auf und fiel zu Boden, knallte auf dem Weg nach unten mit dem Gesicht auf den Schreibtisch. Alex beugte sich über ihn, den Briefbeschwerer erhoben, schwer atmend.
    Osborne rollte nach links und rechts, hielt sich das Gesicht. Blut floss ihm aus der Nase. »Du kleiner Scheißer«, keuchte er.
    Alex lächelte. Er fühlte sich beschwingt. Als würde er fliegen oder fallen – was, konnte er nicht sagen, und es war ihm auch egal.
    »Ich hab von Obsidian eine Kopie gemacht«, improvisierte er. »Ich hab sie an eine Usenet-Newsgroup geschickt, mit allen Einzelheiten Ihrer Beteiligung und allem, was ich sonst noch weiß. Sie ist noch verschlüsselt. Aber wenn ich binnen einer Stunde keinen Code eintippe, entschlüsselt sie sich von allein und verteilt sich an ein Dutzend anderer Newsgroups. Also erzählen Sie mir besser, was Sie wissen.«
    Osborne wollte aufstehen. Alex sagte: »Unten bleiben, sonst schlag ich Ihnen den Schädel ein.«
    Osborne erstarrte. »Sie sind hier erledigt, Superman. Und nicht bloß bei Sullivan, Greenwald. Wenn ich ein bisschen herumtelefoniert habe, kriegen Sie im ganzen Valley keinen Job mehr.«
    Alex lachte. Er durchschaute die Methode – der Einsatz wurde erhöht, die Verhandlungen verschärft. Er hatte noch nie mit einem schweren Gegenstand in der Hand verhandelt, aber anscheinend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher