Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todescode

Todescode

Titel: Todescode
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
es –«
    »Ich weiß es nicht. Ich hab einen der Polizisten gefragt, aber der hat nur gesagt, dass das hier ein Tatort sei – was ich auch so sehen kann, weil das ganze Gebäude mit gelbem Flatterband abgesperrt ist. Aber die lassen keinen rein, und ich kann von hier aus nichts erkennen.«
    »Wer sagt denn, dass jemand ermordet wurde?«
    »Einer der Schaulustigen hier. Vielleicht stimmt es ja gar nicht. Vielleicht ist es bloß ein Gerücht.«
    Die Taubheit breitete sich jetzt aus. Sein Atem ging irgendwie sehr laut.
    Am liebsten wäre er sofort selbst hingefahren, doch er wusste, dass das unvernünftig wäre. Er würde genauso wenig sehen oder erfahren wie Alisa. Und was, wenn das alles bloß ein gewaltiger Zufall war? Was, wenn Hilzoy jetzt jeden Augenblick anrief oder hier auftauchte –
Tut mir leid, mein Wagen hatte einen Platten, und ausgerechnet in einem Funkloch, wo mein Handy keinen Empfang hatte! So was kann auch nur mir passieren
– und Alex wäre nicht da? Dann hätte er aus einer möglicherweise völlig harmlosen Situation eine Katastrophe gemacht, und das nur aufgrund seines schlechten Urteilsvermögens.
    Nein, das konnte er nicht zulassen.
    Er holte tief Luft und presste sie langsam wieder aus. Das konzentrierte Atmen beruhigte ihn ein wenig.
    »Bleiben Sie da«, sagte er. »Wenn Sie irgendwas erfahren, rufen Sie mich umgehend an.«
    Er legte auf und sah auf die Uhr. Zwanzig Minuten. Wenn er mit den Ampeln und Verkehrspolizisten Glück hatte, könnte er mit seinem M3 in sechs Minuten bei Kleiner Perkins oben auf der Sand Hill Road sein. Also noch vierzehn Minuten, bis er die Sache abblasen musste. Er würde zwar blöd dastehen, wenn er in der letzten Minute absagte, aber das war besser, als gar nicht zu erscheinen. Würde er bei den Burschen je wieder einen Termin kriegen, nachdem er den ersten hatte platzen lassen? Vermutlich nicht, zumindest nicht, ohne die Beziehungen zu Osborne oder einem anderen Partner spielen zu lassen. Und Osborne würde wissen, was passiert war, würde wissen, wie sehr Alex ihn brauchte. Er würde für die Gefälligkeit eine entsprechende Gegenleistung verlangen.
    Mist. Mist. Mist.
    Sein Büro kam ihm plötzlich zu klein vor. Er musste sich bewegen, nachdenken. Er ging hinaus auf den Korridor, wo er seinen Radius erweitern konnte. Er bog um die Ecke und …
    Sarah kam ihm entgegen.
Scheiße.
    Er wollte jetzt nicht mit ihr sprechen, wollte nichts erklären müssen. Er hatte sie nicht gebeten, mit zu dem Termin zu kommen. Sie war mitunter zu forsch, und obwohl er ihre zupackende Art ansonsten schätzte, traute er ihr nicht zu, dass sie in einem Raum voller Kapitalgeber wusste, wo ihr Platz war. Hilzoy war seine Show, und er wollte sonst niemanden im Rampenlicht haben.
    Außerdem, selbst wenn Sarah so steif und korrekt auftrat wie eine Junganwältin, sie war auf jeden Fall ein Hingucker. Ein Blick auf ihr schimmerndes Haar, ihre karamellfarbene Haut und die vollen Lippen, und jeder würde sich fragen, warum Alex sie zu der Besprechung mitgebracht hatte. Hatten sie was miteinander? Wollte er was von ihr?
    Na klar wollte er das. Und nicht nur, weil sie umwerfend aussah. Er war auch deshalb so hingerissen von ihr, weil sie nicht mit ihrem Aussehen kokettierte. Sie schminkte sich nur ganz dezent, trug das Haar nach hinten gebunden und bevorzugte Röcke, die unter dem Knie endeten. Doch Alex begegnete ihr an mehreren Abenden in der Woche im kanzleieigenen Fitnessraum, wo sie für gewöhnlich eine Art Yoga-Outfit trug, und sie hatte einen so tollen, kurvenreichen Körper, dass Alex wegsehen musste, aus Angst, sein eigener Körper würde seine Gedanken verraten. Manchmal, spätnachts im Schlafzimmer seines Elternhauses, das er geerbt hatte und noch immer bewohnte, schloss er die Augen und legte bei sich Hand an, während er sich ausmalte, wie er mit ihr zusammen war, was sie mit ihm tun würde, wie sie es tun würde. Noch mehr als ihre Schönheit waren diese Phantasien, die ihm noch den ganzen nächsten Tag nicht aus dem Kopf gingen, dafür verantwortlich, dass er in ihrem Beisein verlegen war, sich desinteressiert, sogar ablehnend gab, damit sie sein Geheimnis nicht erahnte.
    Aber sie schien nicht im Geringsten interessiert zu sein. Und selbst wenn sie es wäre – was würden die Leute sagen, wenn ein Senioranwalt, jemand, der, so Gott wollte, bald in die Partnerriege aufstieg, sich mit einer zehn Jahre jüngeren Kollegin einließ? Und was würde passieren, falls er Partner wurde?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher