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Todes Kuss

Todes Kuss

Titel: Todes Kuss
Autoren: TASHA ALEXANDER
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verschiedenen einheimischen Spezialitäten. Dazu tranken wir den Wein, der an den steilen Hängen der Insel gedieh.
    Cécile gewöhnte sich an, wie die Bewohner Santorins in den Mittagsstunden ein Schläfchen zu machen. Weder sie noch ich vermissten das gesellschaftliche Leben, das in Paris und London so viel von unserer Zeit in Anspruch genommen hatte. Dennoch benahmen wir uns nicht in allem wie die Griechen. Cécile wollte zum Beispiel nicht auf ihren Champagner verzichten und ich nicht auf meinen Portwein.
    Während ich einerseits eifrig damit beschäftigt war, meine Kenntnisse der altgriechischen Sprache zu verbessern, lernte ich andererseits aus praktischen Erwägungen heraus das moderne Griechisch. Es erschien mir wichtig, mich ohne Dolmetscher mit den Nachbarn und vor allem mit Mrs Katevatis verständigen zu können. Deren Sohn, der fünfzehnjährige Adelphos, sprach sehr gut Englisch und erklärte sich bereit, mich zu unterrichten. Ich glaube, er war ein guter Lehrer. Jedenfalls bescheinigten mir alle, dass ich schnell Fortschritte machte.
    Schwieriger war es, jemanden zu finden, der mich beim Übersetzen der altgriechischen Texte unterstützen konnte. Margaret hatte versprochen, nach Ostern zu uns zu stoßen. Bis dahin halfen mir die Notizen, mit denen sie ihre Lehrbücher versehen hatte.
    Nach einer Weile ließ mein Interesse an Homer nach und ich wandte mich anderen griechischen Autoren zu. Die Ideen des Philosophen Platon faszinierten mich. Und Aristophanes’ Komödien brachten mich regelmäßig zum Lachen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich hier weitgehend auf das Studium der Übersetzungen beschränkte.
    Manchmal luden Cécile und ich unsere Nachbarn zum Essen ein. Es war eine bunt gemischte Gruppe von Menschen, die durchaus nicht alle zur sogenannten guten Gesellschaft gezählt werden konnten. Meine Mutter wäre entsetzt gewesen. Doch Cécile und ich mochten den Holzschnitzer und seine Ehefrau ebenso wie den Weinhändler und seine Söhne oder den Schafzüchter, der immer seine betagte Mutter mitbrachte.
    Einige Wochen, nachdem Cécile dem Schnitzer Aristo Papadakos von ihrem Miniatur-Versailles erzählt hatte, schenkte er ihr eine kleine Nachbildung des zur Akropolis gehörenden Tempels der Athene. Cécile liebte diesen winzigen Parthenon, und verbrachte von nun an viel Zeit mit Papadakos.
    Ich selbst genoss meine Freiheit. Oft zeichnete ich, las oder unternahm Spaziergänge durch die felsige Landschaft. Das Wetter war wunderbar. Im Februar regnete es zwar ab und zu, doch der März war schöner als manch englischer Sommer. Das Meer glänzte in der Sonne, die ersten Blumen blühten. Nie zuvor hatte ich mich so im Frieden mit mir und meiner Umgebung gefühlt.
    Eines Nachmittags zog ich mich mit Platons Werk Timaios , das auch Über die Natur genannt wurde, auf einen Felsen oberhalb des Meeres zurück. Mit großem Interesse las ich, was er über das legendäre Atlantis geschrieben hatte. Wie ich wusste, glaubten viele, das untergegangene Inselreich habe sich an der Stelle des heutigen Santorin befunden. Ich legte das Buch aus der Hand und schaute mich um. War es denkbar, dass sich unter der glatten Oberfläche des Meeres die Ruinen des mythischen Reichs befanden?
    Ich begann vor mich hinzuträumen, wurde aber kurz darauf durch Schritte, die sich mir näherten, aus meinen Gedanken gerissen. Ich wandte mich um.
    „Colin!“
    Lächelnd trat er auf mich zu. „Wie es scheint, haben Sie Ihr Paradies gefunden.“
    Ich sprang auf, um ihn zu begrüßen. „Welch eine Überraschung! Ich hätte nicht geglaubt, dass Santorin auf dem Weg liegt, wenn man von Berlin nach England zurückkehrt.“
    „Tatsächlich habe ich mich entschlossen, einen Umweg zu machen“, erwiderte er und hauchte einen Kuss auf meinen Handrücken.
    „Das freut mich, und ich fühle mich sogar ein wenig geschmeichelt.“ Ich strahlte ihn an. Er war ungewöhnlich salopp gekleidet. Mit seinem vom Wind zerzausten Haar sah er umwerfend aus.
    „Tatsächlich konnte ich der Versuchung, Sie wiederzusehen, nicht widerstehen“, meinte er. Dann bemerkte er das Buch. „Sie lesen Platons Timaios ?“
    „Santorin erschien mir der ideale Ort, mich mit der Geschichte von Atlantis zu beschäftigen.“
    „Ich liebe Ihre Art zu denken und Entscheidungen zu treffen.“ Erneut beugte er sich über meine Hand. Als er sich aufrichtete, stellte ich mich auf die Zehenspitzen, weil ich mich sehr nach einem richtigen Kuss sehnte. Unsere Lippen fanden
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