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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide
Autoren: Linda Fairstein
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keinen Trost für meine Seele fand, dann sollte wenigstens mein Körper nicht hungern.
    Bei P. J. Bernstein’s, dem Feinkostladen, meldete sich Clare. »Es tut mir Leid, Alex. Es ist fast zehn Uhr. Wir schließen gerade.«
    Ich kochte nie zu Hause, deshalb wusste ich, dass der Kühlschrank leer war. Im Küchenschrank waren ein paar Suppendosen, aber es war viel zu warm, um an eine heiße Suppe auch nur denken zu können. Ich tat einige Eiswürfel in ein Glas und ging ins Arbeitszimmer, um mir einen doppelten Dewar’s einzuschenken. Auf meinem Nachttisch lag ein Krimi, aber es ging nichts über den Anblick einer tatsächlichen Leiche, um mir das Genre für ein paar Wochen zu verleiden. Jake hatte einen mit vielen Eselsohren versehenen Roman von Henry James auf meiner Frisierkommode liegen lassen. Vielleicht sollte ich den Roman lesen, anstatt zu schlafen versuchen.
    Ich setzte mich im Dunkeln mit einem Drink in der Hand auf das Sofa und sah hinaus auf das Lichtermeer der Stadt. Die gedämpfte Musik aus der Stereoanlage lenkte mich ab, bis Linda Ronstadt anfing, von den hungrigen Frauen auf der Rue Morgue Avenue, der Straße der Leichenhalle, zu singen. Wieder schoss mir das Bild von der Leiche auf der Leiter und dem Ort, wo sie sich jetzt befinden würde, durch den Kopf.
    Plötzlich schreckte mich das Telefon auf. Ich nahm beim dritten Klingeln ab.
    »Du scheinst dich ja ausnahmsweise fast zu freuen, mich zu hören.«
    »Mike?« Ich hatte gehofft, es wäre Jake.
    »Die falsche Stimme, hm? Werd’ bloß nicht depressiv, weil’s nur ich bin. Ich bin schließlich nicht der Unabomber oder Ted Bundy. Der Lieutenant bat mich, dich anzurufen. Er sähe es gern, wenn du morgen früh bei Compstat dabei bist.«
    Compstat – komparative Computerstatistiken – war das neueste Mittel, mit dem die New Yorker Polizei ihre Führungsqualitäten demonstrierte. Einige Male pro Monat fanden im Präsidium Zusammenkünfte statt, die dem Polizeipräsidenten die Möglichkeit gaben, sich und seine Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung in der Stadt vorteilhaft in Szene zu setzen.
    »Um wie viel Uhr soll ich dort sein?«
    »Punkt sieben Uhr. Scheint so, als ob die hohen Tiere alle ausflippen wegen dieser Leiche heute Abend – bringt wohl die Monatsstatistiken des Bürgermeisters durcheinander. Vielleicht ruft dich der Boss sogar auf, wenn er munter wird und Antworten auf alle seine Fragen möchte, oder wenn er deinem Chef ankreiden will, dass er sich nicht genug um die Fälle kümmert, die dem Bürgermeister so sehr am Herzen liegen.«
    »Danke für die Warnung.«
    »Du hörst dich wirklich nicht gut an, Mädel. Alles in Ordnung?«
    »Ich bin mit meinen Gedanken noch immer am Spuyten Duyvil. Willst du noch mit einer Pizza vorbeikommen?«
    »Tut mir Leid, Coop. Es ist fast elf Uhr. Wir werden hier noch ziemlich lange damit beschäftigt sein, herauszufinden, wer dieses Weibsbild ist und wann sie in den Fluss geworfen wurde. Bis morgen früh. Lass das Nachtlicht an.«
    Ich fürchtete mich nicht vor der Dunkelheit. Was mich beunruhigte, war die Tatsache, dass sich da draußen unter meinem Fenster menschliche Wesen herumtrieben, die dazu fähig waren, einer jungen Frau den Kopf einzuschlagen und sie dann ins Wasser zu werfen. Ich starrte noch eine Stunde hinaus auf die Lichter Manhattans, die eins nach dem anderen ausgingen. Und die ganze Zeit konnte ich an nichts anderes denken als an die Ungeheuer, die unter uns lebten.
    3
    Als ich am Freitagmorgen um drei viertel sieben meinen Jeep am Hogan Place in der Nähe meines Büros auf einen reservierten Parkplatz hinter dem des Bezirksstaatsanwalts abstellte, standen dort noch immer einige Autos. Die meisten gehörten den Anwälten, die die Mitternachtsschicht im Nachtgericht machten. Ich nahm die Abkürzung hinüber zum Polizeipräsidium, vorbei an der Rückseite der städtischen Haftanstalt und an dem Schwindel erregend teuren Neubau des Federal Courthouse, gegen den unsere von Ratten und Kakerlaken heimgesuchte Unterkunft wie das Justizgebäude eines Entwicklungslandes wirkte. Ich blieb vor einem Imbisswagen stehen, den ein Straßenverkäufer gerade zu seinem Platz rollte, und kaufte zwei Becher schwarzen Kaffee, da mir eingefallen war, dass die Brühe, die man vor dem Konferenzraum kriegen konnte, viel zu schwach war, als dass ich damit in die Gänge kommen würde.
    Eine nach der anderen fuhren schwarze Crown Victorias mit Rotlicht auf dem Armaturenbrett in die streng bewachte Tiefgarage unter
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