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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide
Autoren: Linda Fairstein
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untersuchen. Wegen des Wassers ist es allerdings eher unwahrscheinlich, dass wir Samenspuren finden werden. Schwer zu sagen, ob die fehlenden Kleidungsstücke auf eine Vergewaltigung hindeuten oder ob die Strömung sie weggerissen hat.«
    Die junge Frau trug an ihrem wohl geformten Körper einen Büstenhalter, eine beige Seidenbluse sowie einen Rock aus dem gleichen Material. Die beiden letzteren Kleidungsstücke wiesen Risse auf. Aber sie hatte keinen Slip an, und auf der Innenseite ihrer Oberschenkel konnte ich Druckspuren sehen, die von Fingern stammen konnten.
    »Sieht nicht aus wie eine von hier, oder, Mercer?«, fragte Chapman. Zwar gab es im 34. Polizeibezirk noch einige elegante alte Wohnhäuser, aber es war mit Sicherheit keines der feineren Stadtviertel. »Sieh dir die Fingernägel und die Pediküre an. Und nach ihrer Figur zu schließen, hat sie viel Zeit auf dem StairMaster verbracht.«
    Der zinnoberrote Nagellack auf ihren Fuß- und Fingernägeln war beim Kampf mit ihrem Mörder oder dem Wasser leicht lädiert worden. Doch es bestand kein Zweifel, dass sie, zumindest bis vor wenigen Tagen, auf ihr Äußeres großen Wert gelegt hatte.
    Mittlerweile war auch das Aufnahmeteam der Eyewitness News eingetroffen. »Hey, Mike«, rief jemand von der anderen Seite der Decke herüber. »Hast du was für uns?«
    »Mach mal langsam, Pablo. Ein bisschen mehr Respekt vor den Toten. Was ist, Doc, können wir sie endlich wegschaffen?«
    Fleisher ordnete an, die Leiche zuzudecken und sie so, wie sie war, mitsamt der Leiter, in den bereit stehenden Krankenwagen zu verladen. »Kann ich sonst noch was für euch tun?«
    Chapman schüttelte den Kopf und sagte, dass er am nächsten Tag zur Obduktion ins Leichenschauhaus kommen werde. Er bückte sich noch einmal und notierte sich den Namen des Leiterherstellers, der auf der einer Seitensprosse vermerkt war. Dann wurde die Leiter von einem Sanitäter in den Krankenwagen gehievt.
    »Ich bin im Rückstand. Wie üblich um diese Jahreszeit«, sagte Fleisher. »Ich komme sicher nicht vor zwei Uhr nachmittags dazu, und das auch nur, wenn ich sie vor ein paar anderen Leichen drannehme, die noch unidentifiziert im Gefrierraum liegen.«
    Vier soeben eingetroffene Polizisten postierten sich, um die immer zahlreicher werdenden Schaulustigen von uns fern zu halten. Wir standen noch immer dort, wo die Leiche gelegen hatte.
    Chapman ging hinüber zum Lieutenant, der den Tauchern dabei zusah, wie sie sich Unmengen an Ausrüstung umschnallten, welche der Rettungsdienst herangeschafft hatte. Bald würden sie in dem wirbelnden Wasser am Ufer entlang herumkriechen in der Hoffnung, irgendein Beweisstück oder eine Waffe zu finden. Es war klar, dass sie an den schlammigen Wänden und auf dem Grund dieser tückischen Wasserenge nichts finden würden.
    »Das ist doch nur Zeit- und Energieverschwendung, Loo.« Chapman verwendete die unter Detectives gängige Anrede für Lieutenants. »Sie ist ganz sicher nicht hier in der Nähe ins Wasser geworfen worden. Schon eher in Yonkers oder in der Bronx. Ich habe nur Glück gehabt, dass sie hier in Manhattan an Land gespült wurde. In den letzten Wochen gab’s sonst nur Drogentote.«
    Nur Mike Chapman konnte diesen Fund einen Glücksfall nennen. Ich ließ noch einmal meinen Blick über das trostlose Stück Land schweifen, das zur vorübergehenden Grabstätte dieser Frau geworden war. Überall lagen zerbrochene Bierflaschen, leere Crack-Ampullen, haufenweise Taubendreck und Dutzende von gebrauchten Kondomen.
    Mercer Wallace kam zu mir her und führte mich am Ellbogen zur Straße, vorbei an den Journalisten und den neugierigen Anwohnern, die sich jetzt, nach Anbruch der Dunkelheit, eingefunden hatten und sich etwas Aufregung erhofften. Er schloss die Beifahrertür seines Autos auf, und ich stieg ein.
    Die Leute wichen vor unserem Auto auf den Bürgersteig zurück, als Mercer auf der engen Straße eine Kehrtwendung machte. Er lotste den Wagen durch ein Labyrinth von Einbahnstraßen, beschleunigte auf dem Broadway in Richtung Downtown und nahm die Straße durch den Central Park zu meiner Wohnung auf der Upper East Side. Ich sprach die ganze Fahrt über kein Wort.
    »Alex, nun komm schon, sag was. Ich kann dich doch nicht allein in deine Wohnung gehen lassen, wenn ich weiß, dass dir die ganze Nacht das Bild der Leiche nicht aus dem Kopf gehen wird. Du wirst nicht einschlafen können.«
    Das brauchte man mir nun wirklich nicht erst zu sagen. Obwohl ich gerade zwei
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