Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Kreuzberg

Tod in Kreuzberg

Titel: Tod in Kreuzberg
Autoren: C Ditfurth
Vom Netzwerk:
verfluchte DVD geklaut hatte, deren Inhalt mittlerweile einigen Herren den Job gekostet hatte. Ein kleiner Trost nur. Aber immerhin. Doch jetzt drohte Schlimmeres. Wenn Dornröschen sich verliebt hatte, was würde passieren? Würde ein Typ auftauchen und sich einfach an den Küchentisch setzen? Das konnte Matti sich nicht vorstellen. Er schaute sich um in der Küche, sah die Espressomaschine, die Twiggy besorgt hatte. Sah den Gettoblaster, in dem leise Something in the Water von Gene lief, einer Band, die ihnen Platten-Rosi empfohlen hatte. Sah Dornröschens Teekanne, den Küchenplan an der Wand und den alten Bosch-Kühlschrank. Aber er hätte sich nicht umschauen müssen, um sicher zu sein, dass hier niemand mehr hineinpasste, egal wie groß die Küche war. Hier lebten Dornröschen, Twiggy, Robbi und Matti, und hier hatte kein anderer etwas zu suchen.
    »Und wenn sie auszieht?« Twiggys Frage stand in der Luft. Matti schnaufte einmal, während Dornröschen gluckste. Sie tranken, wechselten einen Blick und starrten vor sich hin.
    Unvorstellbar, dachte Matti. Nur war in der jüngsten Zeit so viel geschehen, das unvorstellbar gewesen war. Wenn sie auszog, was würde aus ihnen? Einen Moment überlegte er, ob er in Dornröschens Zimmer gehen, ihr das Telefon aus der Hand nehmen und sie fragen sollte. Sie hatte kein Recht abzuhauen. Sie gehörten zusammen, und wenn sie es noch nicht kapiert hatte, dann wurde es Zeit, es ihr zu erklären.
    Natürlich ging er nicht.
    Sie tranken schweigend die Flaschen leer, sogar Robbi maunzte nicht, als hätte er begriffen, wie ernst die Lage war. Er streckte sich und schlich in den Flur, wo er sich vor Twiggys Tür setzte. Normalerweise hätte er gejault und an der Tür gekratzt oder wäre beleidigt zu Matti gestelzt, aber er saß still da und leckte seine Vorderpfote, als wäre es ihm peinlich, nicht den Rabauken oder die Diva zu geben.
    Durch den Flur hörte man Dornröschens Gemurmel.
    »Wenn sie einen hat, vermiesen wir es dem«, sagte Twiggy leise. »Was bildet dieses Arschloch sich eigentlich ein?«
    Matti nickte bedächtig. »Das ist eine Idee.« Und er malte sich aus, wie sie den Kerl vorführten in einem Streit über die Revolution, den Niedergang des Kapitalismus oder die Unvermeidlichkeit imperialistischer Kriege. Während er es sich ausdachte, kamen ihm diese Begriffe vor wie Schlagworte, inhaltsleer, ausgeleiert. Altes Zeug, das mancher vor sich hertrug, um sich besser zu fühlen. Aber irgendwie musste Dornröschen erkennen, dass sie ins Klo gegriffen hatte. Wollen wir doch mal sehen. Was kann so ein Typ ihr schon bieten in so einer Stinozweierbeziehung? Sie wird bald kapieren, was sie an uns hat und was an dieser Lusche. Aber dann fiel ihm ein, dass Dornröschen sich nie in einen Loser verlieben würde. Es mochte sein, dass sie morgen früh mit Glatze herumlief oder dass sie vom Fahrrad stieg und einem Idioten, der ihr nachgepfiffen hatte, ins Cabrio spuckte, aber sie würde sich nicht in den Falschen verlieben.
    Nein, sie mussten es anders machen. Vielleicht sollten sie ihn Tag und Nacht überwachen, bis herauskam, dass er mal was mit einer Sozentusse gehabt hatte, einer Sozialfaschistin, wie Dornröschen sie nennen würde, wenn sie zu viel Gras geraucht hatte.
    »Hm«, brummte Twiggy.
    Das Gemurmel aus Dornröschens Zimmer kam Matti vor wie Psychokrieg. Wie lange redete sie schon?
    Plötzlich war Stille. Dornröschens Tür klackte. »Gute Nacht, Jungs!« Weg war sie.
    »Puh«, blies Twiggy.
    Matti trank seine Flasche leer und holte zwei neue aus dem Kühlschrank, öffnete sie und stellte eine vor Twiggy.
    Sie saßen bis morgens um drei und schwiegen, ausgenommen drei »Tja« von Matti und zwei »Hm« von Twiggy und schließlich »Gute Nacht!«. Der Sechserpack, den Matti gerade gekauft hatte, war leer, und die angebrochene Flasche Aldi-Rotwein auch.
    Dornröschen riss die Vorhänge auf. Matti blinzelte. Sie trug ihren Bademantel, die Haare lagen wirr, und in ihren Augen las Matti Angst.
    »Was ist?«
    »Komm! Steh auf!« Sie winkte ihn hoch. Dann verließ sie das Zimmer, und Matti hörte, wie sie mit Twiggy das Gleiche veranstaltete. »Los!«
    Matti zog eine Trainingsjacke an und tappte in die Küche. Auf dem Tisch eine Zeitung und ein Becher. Robbi saß auf einem Stuhl und jaulte. Matti holte das Thunfischfutter aus dem Kühlschrank und füllte das Schälchen. Dornröschen kam mit Twiggy im Schlepptau. Sie tippte auf die Berliner Zeitung , deren Lokalteil aufgeschlagen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher