Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Kreuzberg

Tod in Kreuzberg

Titel: Tod in Kreuzberg
Autoren: C Ditfurth
Vom Netzwerk:
kantiges Gesicht, lange Koteletten. Rosi fror. Sie hielt an, der Mann blickte beiläufig in ihre Richtung. Sie starrte ihn an und wusste in diesem Augenblick, dass er auf sie wartete. Warum? Warum auf mich? Sie ging weiter, stoppte. Schritte hinter ihr. Es waren zwei, mindestens zwei. Sie drehte sich um und erkannte die beiden Männer. Der eine gedrungen, kräftig, in Jeans und Pullover, Bürstenschnitt. Der andere groß und schlaksig, im Anzug, ein leichter, dunkler Stoff. Er trug weiße Sportschuhe und halb lange schwarze Haare. Sie wandte sich ab und rannte auf den Mann am Schuppen zu. Er musste ihr helfen. Sie sah ihn lächeln und wusste schlagartig, dass die drei Männer zusammengehörten. Treibjagd, dachte sie. Und: Komisch, was man denkt, bevor es geschieht. Als sie an dem Mann vorbeirennen wollte, schoss seine Hand zu ihrem Oberarm und umklammerte ihn mit ungeheurer Kraft. Sein Gesicht zeigte Gleichgültigkeit. Dann hatten die beiden anderen aufgeschlossen. Rosi spürte den Schlag nicht, der ihren Schädel zertrümmerte.

1: Mayday
    E s war dieser Freitag, an dem Dornröschen beim Mau-Mau verlor. Das war so wahrscheinlich gewesen wie das Ende des Nahostkonflikts oder die deutsche Fußballmeisterschaft für Energie Cottbus. Aber es geschah, und Matti hätte nicht gestaunt, wenn Gullydeckel sich in fliegende Untertassen verwandelt hätten oder Pils vom Himmel geregnet wäre. Noch verblüffender war nur, dass Dornröschen die historische Niederlage locker wegsteckte, ihren Tee austrank, einen Gutenachtgruß murmelte, in ihrem Zimmer verschwand und zu telefonieren begann, und dies mit einer Stimme, die Mattis Siegesfreude wegblies wie der Sturm ein Staubkorn. Sie klang weich und wach, sie lachte, gurrte, gluckste. Nur ein Tauber wäre nicht darauf gekommen, dass am anderen Ende ein Mann war. Aber sie sprach zu leise, sodass er und Twiggy ihre Worte nicht verstanden.
    Der süßliche Duft des Joints lag in der Luft.
    Twiggy streichelte mechanisch Robbis Kopf, und Matti spürte, wie die Verzweiflung anklopfte. Sie saßen eine Weile wie erstarrt, dann maunzte Robbi, streckte sich, bearbeitete Twiggys wabblige Oberschenkel im Milchtritt, sprang auf den Fußboden und untersuchte seine Fressschale.
    Matti holte zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank, öffnete sie, stellte eine vor Twiggy ab und setzte sich wieder.
    »Dornröschen war im Kopf nicht dabei«, murmelte der. »Ganz woanders.« Er zeigte zur Tür ihres Zimmers.
    »Hm.« Matti trank einen Schluck und stellte die Flasche auf den Tisch.
    Robbi schmatzte. Es knackte, als er ein Trockenfutterstückchen durchbiss.
    Matti spürte die Angst und versuchte sie zu verstehen. Er hatte doch auch Liebesbeziehungen mit anderen Frauen gehabt, zuletzt mit Lily, die Erinnerung schmerzte. Er hatte sie seitdem nicht mehr gesehen. Seine Gedanken folgten ihr kurz, dann schob er ihr Bild weg. Wenn Dornröschen sich mit einem Mann einließ, was dann? Würde sie ausziehen? Würde die Okerstraßen-WG sich auflösen? Ohne Dornröschen wären er und Twiggy allein, einsam zu zweit. Sie hielt alles zusammen, am Ende bestimmte immer sie. Sie hatte einen legendären Ruf in der Szene, galt als Masterbrain. Matti spürte Gefühle in sich, wie schon manchmal zuvor, Gefühle, die unbestimmt waren, die ihn Wärme und Rührung empfinden ließen. Nicht immer, aber es gab Augenblicke. Wenn Dornröschen sie verließ, was würde aus ihnen werden?
    Twiggy trank und brummte etwas.
    »Wer ist das?«, fragte Matti. Seine Augen zeigten zu Dornröschens Zimmer. Sie lachte gerade ein bisschen zu aufgeregt.
    Twiggy zuckte mit den Achseln. Er sah traurig aus, seine klugen schwarzen Augen schimmerten.
    »Seit wann?«, fragte Matti.
    Twiggy hob eine Hand und ließ sie wieder auf den Tisch sinken.
    »Verfluchte Scheiße«, stöhnte Matti. Sie hatten sich gerade wieder zusammengelebt nach dem Abenteuer, bei dem Norbi und Konny ermordet worden waren. Sie hatten lange kaum darüber gesprochen. Doch Monate später, als sie nach einer Mau-Mau-Partie alle drei angetrunken waren und einen zweiten Joint intus hatten, da hatte Dornröschen erklärt, sie müssten jetzt mal reden. So gehe es nicht weiter, das Schweigegelübde gelte schließlich nur für Robbi. Sie diskutierten bis zum Morgen und noch weiter. Bis jeder gesagt hatte, was geschehen war, wie es zu beurteilen sei und wie sie damit umgehen sollten. Matti gelang es, seinen Schuldkomplex zu polstern, schließlich hatte er die Katastrophe ausgelöst, als er die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher